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Versailles, 27. Oktober 1870.
Soeben, morgens 10 Uhr, erhalte ich die Nachricht, daß Metz kapitulirt
hat. Die Armee Bazaines lag außerhalb Metz, innerhalb der Befestigungen.
In der Festung selbst kommandirte wahrscheinlich Canrobert (nein, Changarnier!).
Bazaine hatte bisher nur angeboten, sich selbst mit der um Metz herum
liegenden Armee zu übergeben, während der Kommandant der Festung sich noch
halten wollte. Hierauf ward natürlich nicht eingegangen.
Der Fall von Metz ist von äußerster Wichtigkeit, einmal, weil 200 000
Mann Deutsche verfügbar werden, mit denen man noch nicht occupirte Teile
Frankreichs besetzen und die Verpflegung besser verteilen kann, dann weil nun
zwei Bahnlinien von Deutschland, behufs Zufuhr von Material und Lebens-
mitteln, frei sind. Ohne den Fall von Metz wäre die Verpflegung der Armeen
vor Metz und Paris den Winter über sehr schwer geworden. Hier fehlt schon
manches, zum Beispiel Petroleum, und das Pfund Zucker kostet fünf Franken.
Auch die Rinderpest erschwert die Ernährung der Armee.
Gestern feierte General v. Moltke seinen 70. Geburtstag.
Eben kommt die Nachricht von einem glücklichen Gefechte eines Bataillons
Württemberger mit Gardes mobiles und Franctireurs. Sie hatten 300 Gefangene
gemacht. Es waren die Blaublusler, von denen uns die Württemberger am
22. d. M. gesagt hatten: „Die wellet mer scho fange!“
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Versailles, 28. Oktober 1870.
Darüber, ob nun, nach dem Falle von Metz, Paris kapitulirt oder Friede
angeboten wird, sind die Ansichten verschieden. In den nächsten 8 bis 14
Tagen rechnet man nicht hierauf. Meine Concierge explizirt mir soeben bei
Quittirung ihrer Rechnung, daß es unmöglich sei, Paris einzunehmen, da es
noch für über ein Jahr verproviantirt sei. Ihr Mann, an 60 Jahre alt,
steht dort in der Garde nationale. Jedenfalls müsse man von einer andern
Seite angreifen als von Versailles. (Sie gönnt die Einquartierung den anderen
Umwohnern von Paris.)
Heute glaubte ich einen Augenblick, es werde Alarm geschlagen. Es war
aber ein Trommler der Gemeinde, der überall in den Straßen so lange Lärm
machte, bis sich hinreichendes Publikum um ihn gesammelt hatte, worauf dann
eine andere Magistratsperson eine Bekanntmachung verlas, wonach die Ein-
wohnerschaft 6000 wollene Decken für die Truppen zu liefern hat. Man hörte
den Ausrufer ruhig an, ging, ohne zu räsonniren, seiner Wege.
Die Concierge kündet an, daß sie in der ganzen Stadt keinen Zucker mehr
auftreiben könne, auch nicht um schweres Geld. Auch die Zündhölzer gehen
zur Neige.
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