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Fürst Bismarck empfing den badischen Minister am 15. Dezember mittags
2 Uhr. 1) Er sprach sich in offenster, den Wünschen Badens entgegenkommendster
Weise aus und sagte sofort zu, seinen Einfluß bei Seiner Majestät dem Kaiser
und im preußischen Staatsministerium zu Gunsten Badens geltend zu machen.
Ihm sei es recht, wenn Baden in die Branntweinsteuer-Gemeinschaft eintrete;
er verlange nicht den gleichzeitigen Eintritt in die Bier steuer-Gemeinschaft, wie
dies Camphausens Meinung war. Eine halbe Erweiterung der Reichsgemein-
schaft sei ihm lieber als gar keine.
Am 18. Dezember 1875, auf einer Soirée bei Ihren kaiserlichen Maje-
stäten, teilte der Fürst dem Minister Ellstätter mit, daß Seine Mojestät den
badischen Wünschen gewogen und daß die Sache in gutem Gang sei
Im Jahre 1887 hatte Ellstätter wegen der strategischen Umgehungsbahnen
an der schweizer Grenze zu verhandeln. Aus gleichem Anlaß waren die Staats-
minister v. Crailsheim und v. Mittnacht in Berlin.
Nach Abschluß der Verhandlungen wurden dieselben mit Einladung zum
Diner beehrt.
Wie üblich, fesselte der Fürst nach der Tafel seine Gäste durch das an-
regendste Gespräch aus Vergangenheit und Gegenwart.
Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
Freiherr v. Türckheim.
Zur Ergänzung dessen, was wir oben S. 40 beim Zollbundesrat über
den Freiherrn v. Türckheim bemerkt haben, lassen wir nachstehend noch einige
Bemerkungen folgen, welche seine allgemeine politische Auffassung und speziell
sein Verhältnis zu Bismarck noch in ein helleres Licht setzen.
Freiherr Hans v. Türckheim bekleidete vom Jahre 1864 bis zum Jahre
1883 mit der kurzen Unterbrechung, in welcher im Jahre 1866 die diplomatischen
Beziehungen zwischen Preußen und dem Großherzogtum abgebrochen waren, die
Stelle eines Großherzoglichen Gesandten am Königlich preußischen Hofe. Mit
dem Fürsten Bismarck, zu dessen eifrigsten Verehrern er gehörte, trat er, wie
aus seinen Berichten zu entnehmen ist, im ganzen nicht gerade häufig in un-
mittelbare persönliche politische Beziehungen. Seiner schlichten und anspruchs-
losen Natur entsprach überhaupt mehr eine ruhige und abwägende Betrachtung
der Verhältnisse, deren Gang und Entwicklung er mit staatsmännischem Blick
sofort zu erkennen und zu beurteilen verstand. Er selbst betrachtete auch als
Hauptaufgabe eines diplomatischen Agenten eines kleineren Staates „nicht die
Entfaltung einer selbständigen Teilnahme an der großen Politik, sondern neben
der Vertretung der verschiedenen Interessen von Landesangehörigen die Beob-
achtung bemerkenswerterer Vorgänge im politischen und Kulturleben des Staates,
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.