Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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zwischen den Bestrebungen der verschiedenen Fraktionen der Rechten des Ab— 
geordnetenhauses und dem Ministerium und die offenbar tiefgehende Verstimmung 
des Grafen Bismarck über die hieraus entstandenen Konflikte. 
„Mir scheint bei näherer Betrachtung mehr Wahrscheinlichkeit dafür zu 
sprechen, daß der Herr Ministerpräsident auch ferner den bis jetzt mit Erfolg 
von ihm eingeschlagenen Weg verfolgen wird, sich vorzugsweise auf die konser— 
vativen Fraktionen zu stützen, aber diese durch Veranschaulichung der Gefahren 
für sie selbst, wenn sie ihm nicht ihre volle und unbedingte Unterstützung ge— 
währen wollten, möglichst zu beeinflussen und dahin zu lenken, wo er sie zu 
haben wünscht. Dieser Weg allein beläßt den Ministerpräsidenten in dem un— 
beschränkten Vollbesitze der Gewalt, auf welche er freiwillig nicht verzichten wird, 
während eine Verständigung und Koalition mit den unabhängigen Mittelparteien 
wohl nur durch bestimmte Zugeständnisse erkauft werden könnte. 
„Mag der unglückliche Streit über den hannoverschen Provinzialfonds auch 
augenblicklich das gute Einvernehmen gestört, mag er auf seite der Gegner der 
Regierung vielfach beschränkte und engherzige Anschauungen, von welchen Graf 
Bismarck sich frei weiß, zu Tage gefördert haben, bei ruhigerer Betrachtung 
wird man den dabei in Rechnung zu bringenden mildernden Umständen mehr 
Gerechtigkeit widerfahren lassen als im Augenblicke des jetzigen Kampfes.“ 
Nach Gründung des Deutschen Reichs folgte Herr v. Türckheim nicht 
minder mit großem Interesse den Gruppirungen der Parteien und ihrer Stellung 
zum Fürsten Bismarck im Reichstag wie im preußischen Abgeordnetenhause. 
So äußert er bei Anlaß der Debatten über das Schulaufsichtsgesetz im preußischen 
Abgeordnetenhause im Februar 1872 über Bismarcks Verhältnis zur konservativen 
Partei und zum Abgeordneten Windhorst: 
„Die tiefere Bedeutung, welche die Debatte hatte und es der Regierung schließ- 
lich als Ehrensache erscheinen ließ, die Vorlage durchzubringen, liegt in der Hal- 
tung der hochkonservativen Partei, deren Hinneigung zu einer Opposition gegen die 
Regierung und zu einer Verbindung mit der Zentrumspartei und den regierungs- 
feindlichen Elementen schon seit längerer Zeit unangenehm empfunden wurde. 
„Diese drohende Verbindung zu brechen, war die Aufgabe, welche Fürst 
Bismarck sich stellte, und sein Charakter spricht dafür, daß er auf dem einmal 
betretenen Weg beharren und seine Ziele mit der ihm eigenen Energie weiter 
verfolgen wird. Es ist einmal ausgesprochen und wird für den weiteren Gang 
der Ereignisse bestimmend sein, daß die dermalige preußische Regierung nicht 
mehr ihre festeste Stütze in jenen Kreisen findet, deren Gehalt, Verständnis für 
die Außenwelt unverkennbar sehr zurückgegangen ist, sondern eine freisinnigere 
Richtung verfolgen und sich hierin nicht beirren lassen will. Die Worte des 
Fürsten Bismarck in der Sitzung vom 13. Februar 1872, daß das Ministerium 
entschlossen ist, in Verfolgung seiner Zwecke fortan jedes konstitutionelle Mittel 
zur Anwendung zu bringen, haben nicht verfehlt, Eindruck zu machen.“
	        
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