Ueber die Finanz- und Steuerpolitik des Fürsten Bismarck schreibt der
Gesandte zu Ende des Jahres 1878:
„Wir stehen jetzt vor den großen finanzpolitischen Fragen, und sehen
Berge von Material für künftige Arbeiten aufgehäuft, ohne daß zur Klärung
bis jetzt viel geschehen ist oder sich absehen ließe, in welchem Sinn die Ent—
scheidung schließlich ausfallen werde.
„In den ersten Tagen des beginnenden Jahres wird sich die Enquete—
kommission hier versammeln. Der zum Vorsitz berufene Freiherr v. Varn—
büler, dessen Ernennung wohl an sich schon eine Art Programm enthält, wird
sich vermutlich zuerst nach Friedrichsruh begeben, um mit dem Herrn Reichs-
kanzler persönlich Rücksprache zu nehmen.
„Das Wesen der Gedanken, welche der Herr Reichskanzler auf seinen Schild
geschrieben hat, ist bekanntlich eine wesentliche Erhöhung der indirekten Abgaben,
teils um damit den immer wachsenden Anforderungen an die Finanzkräfte des
Reichs gerecht zu werden, teils um die zu hoch belasteten Objekte der direkten
Besteuerung etwas entbürden und den Regierungen und Gemeindeverwaltungen
wieder mehr Mittel überweisen zu können, um den an sie zu stellenden Forde-
rungen gerecht zu werden.
„Dieses Programm ist ja an sich ein ganz schönes und verlockendes, wenn
auch über die Art seiner Durchführung noch viel gestritten werden kann, die
Anschauungen in der Bismarckschen Denkschrift ihre sehr schwachen Seiten
haben und die Erfahrungen mit der Tabaksteuer-Enquete das Vertrauen auf
große Erfolge nach vorausgegangenem großem Anlauf sehr zu vermindern ge-
eignet sind. — Ich möchte mir aber beinahe die ketzerische Idee auszusprechen
erlauben, daß es auf das schließliche Ergebnis für die Finanz= und Steuer-
politik des Reichs dem Herrn Reichskanzler weniger ankommen dürfte, als auf
ein neues Mittel, den Zersetzungsprozeß unter den bisherigen Parteien, welche
mit ihrer Weisheit etwas auf den Grund gefahren sind, weiter zu fördern,
dadurch, daß die materiellen Interessen des ländlichen Grundbesitzes und der
indirekt zu besteuernden Städte und Beamten sich gegenübergestellt werden.
Man nimmt zudem in Regierungskreisen an, daß die Drohung mit neuer
Reichstagsauflösung nach dem Ergebnis der letzten Wahlen auf die National-
liberalen mehr Eindruck machen würde als früher."“
Ueber die Unterhaltung des Fürsten Bismarck bei einem Essen, welches
derselbe den Mitgliedern des Bundesrats am 16. November 1881 gab, 1) äußert
sich Herr v. Türckheim wie folgt:
„Gestern waren die hier anwesenden Mitglieder des Bundesrats zu dem
Herrn Reichskanzler zum Essen geladen. Der Fürst sah wohl aus, klagte aber
1) Ein anderweitiges Referat darüber findelt sich in meinem Werke: „Fürst Bismarck
und die Parlamentarier“ Bd. I. S. 231f.