Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 196 — 
zeugung, welche aus der Botschaft spricht, eine Majorität für seine sämtlichen 
Projekte oder doch vorerst für einen Teil derselben auch von dem jetzigen wenig 
fügsamen Reichstag zu erlangen. 
Jedenfalls scheint 
3. der Herr Reichskanzler geneigt, die Lage von der wenigst tragischen 
Seite aufzufassen und in dem reichen Schatz seiner Auskunftsmittel nach den 
Formen eines annehmbaren Ausgleichs Umschau zu halten, wenn auch wohl 
nicht anzunehmen ist, daß er selbst darüber schon zu einer festen Entschließung 
gekommen ist und sein letztes Wort bereits vor Beginn der Verhandlungen 
sprechen wird. — 
Schon aus diesen wenigen Auszügen aus Türckheims Berichterstattung wird 
man ersehen, welch ausgezeichnete Kraft Baden in seinem Berliner Gesandten 
besaß. Alles in allem genommen, war er ein Mann von hohem innerem Wert, 
ganz für die Stellung im Bundesrat geschaffen und ganz des Ansehens würdig, 
das er in dieser hohen Körperschaft genoß. 1) 
1) Einem in der „Karlsruher Zeitung“ Nr. 351 vom 21. Dezember 1892 enthaltenen 
Nekrologe entnehme ich noch folgende Schilderung: Wahr, treu, gewissenhaft, schlicht, den 
Schein gering achtend, immer bedacht, das Wesen der Dinge zu erfassen, war er anderen 
gegenüber bescheiden und milde, streng nur in der Beurteilung seiner Person und seiner 
Leistungen. Für sich selbst spartanisch einfach und bedürfnislos, scheute er kein Opfer, um 
anderen eine Freude, einen Lebensgenuß zu bereiten. Jeder Uebermut war ihm zuwider, 
übermütige Aeußerungen wies er wohl mit einer sonst an ihm ungewohnten Schärfe zurück. 
Er besaß umfassende und gründliche Kenntnisse auf vielen Gebieten des menschlichen 
Wissens, aber er verschmähte es, mit denselben hervorzutreten oder gar zu prahlen. Wer 
jedoch an sein Wissen appellirte, konnte einer eingehenden, das Gebiet seiner Frage er- 
schöpfenden Antwort sicher sein. 
Vielleicht wäre der Beruf, der ihm die meiste innere Befriedigung gewährt hätte, das 
stille Wirken am Arbeitstisch und die Lösung gelehrter Aufgaben gewesen. Zur Wirksamkeit 
eines hohen Beamten und des Vertreters seines Souveräns und Landes berufen, füllte er 
aber voll und ganz diese Stellung aus. Es gereichte seinem patriotischen Empfinden zu 
hoher Genugthuung, in diesem Amte an dem großen Werke der Wiederherstellung des 
Deutschen Reichs mit thätig sein zu dürfen. Er war kein Redner, und als es zu den 
Aufgaben der Gesandten zu gehören begann, die verbündeten Regierungen wohl auch im 
Reichstag am Tische des Bundesrats zu vertreten, fühlte er sich nicht veranlaßt, bei den 
öffentlichen Verhandlungen des Reichstags das Wort zu ergreifen. Aber in der Mitte des 
Bundesrats genoß er hohes Ansehen. Seine Ausarbeitungen waren durch gründliche 
Durchdringung und Beherrschung des Stoffes, durch Fülle und Sicherheit seines juristischen 
Wissens, durch Schärfe seines Urteils und besonnenes Abwägen aller für und wider eine 
bestimmte Entscheidung sprechenden Gründe ausgezeichnet. Allen badischen Landsleuten, die 
nach Berlin kamen, war er in den Angelegenheiten, die sie ihm vortrugen, ein wohl- 
wollender und eifriger Berater. Vgl. noch v. Weech, Badische Biographien, Bd. I. S. 366 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.