Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 198 — 
Der Fürst zeigte Herrn v. Bülow im weiteren Verlauf der Zusammen— 
kunft noch eine Sammlung der Originalberichte des Grafen Benedetti und 
anderer Aktenstücke, wie solche im Schloß des Ministers Rouher, wie es scheint 
von der siebenzehnten Division, in einem Versteck vorgefunden, teilweise zerstreut 
und vernichtet, aber zum Teil doch an den Fürsten gekommen waren, nachdem 
ein intelligenter Offizier deren Bedeutung erkannt hatte. Es gehört zu den 
unberechenbaren und unvergleichlichen Glücksfällen, daß darunter gerade die auf 
das französische Drängen wegen Belgien und auf den von Benedetti geleugneten 
famosen Vertrag bezüglichen Schriftstücke aufgefunden wurden (das Konzept 
jenes Vertrags, von Napoleon eigenhändig amendirt, liegt jetzt vor) — und es 
gehört zu den Beweisen von des Fürsten unglaublicher Selbstbeherrschung, daß 
er mit jeder Veröffentlichung dieses Fundes zurückgehalten, bis nun Benedetti, 
der nichts vom Schicksal gerade dieser Papiere ahnen konnte, sich durch die 
Ableugnung kompromittirte. 
Offenbar sind die geheimen auswärtigen Papiere Napoleons, um nicht in 
die Hände der Pariser zu fallen, bei Rouher auf dem Lande versteckt worden, 
aber leichtsinnigerweise, ohne daß für ihre Bewachung oder eventuelle Vernichtung 
irgend gesorgt war.1) « 
7. Großherzogtum Sachsen. 
Staatsminister Dr. Stichling 
(cf. Bd. J. S. 287). 
Ueber die Wirksamkeit dieses Staatsmanns nach Gründung des Deutschen 
Reichs sind noch einige kleine Züge nachzutragen.2) 
Am 22. März 1871, dem Geburtstage des Kaisers, wurde der Bundesrat 
in besonderer Audienz empfangen, um seine Glückwünsche darzubringen. Wie 
bereits oben S. 136 bemerkt, gab der bayerische Minister v. Pfretzschner den 
Gefühlen des Bundesrats Worte. Der Kaiser dankte in ungekünstelten, ernsten 
und herzlichsten Worten, und dann ging er die ganze Reihe der in einem Halb- 
kreise aufgestellten Bevollmächtigten durch, mit jedem einige Worte wechselnd. 
Als er an Stichling herankam, schüttelte er ihm auf das herzlichste die Hand 
und hieß ihn willkommen. 
Am 16. Juni 1871 nahm Staatsminister Stichling an einem Diner im 
Königlichen Schlosse teil, zu welchem der Bundesrat geladen war. „Da waren sie 
alle beisammen, die Helden des großen Krieges, um ihren obersten Führer und 
1) Ludwig v. Hirschfeld, „Friedrich Franz II.“ Bd. II. S. 299 f., 301 f.: 
v. Bülows Immediatberichte über seine Verhandlungen wegen der mecklenburgischen Ver- 
fassungsfrage am Strelitzer Hofe. « 
2) Dem Werke Dr. Gottfried Theodor Stichlings: „Aus 53 Dienstjahren“, Weimar, 
1891, entnommen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.