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Freienwalder Schiedsspruch die aus der Bewegung von 1848 hervorgegangene
Verfassung beseitigt und die alte ständische wieder hergestellt wurde. Als Minister
bewahrte er diese Gesinnung und war bestrebt, der Tendenz der liberalen
Majorität des Reichstags auf Einführung einer modernen Verfassung durch
Beschlüsse des Reichstags und des Bundesrats entgegen zu wirken. Er wurde
hierin unterstützt durch die Abneigung des Großherzogs, sich von außen in seiner
inneren Politik bestimmen zu lassen. Denn, wenn derselbe auch meinte, daß in einem
gewissen Maße eine Aenderung der alten Verfassung wünschenswert sei, so sagte
er doch, „Mecklenburg müsse sich seinen Rock selbst zuschneiden“. Graf Bassewitz
operirte mit großem Geschick. Es kam ihm zu gute, daß Bismarck ihn hoch-
schätzte und durchaus Verständnis für seine Haltung hatte. Aber Bismarck
war andererseits sehr belästigt durch die wiederholten Anträge der Liberalen in
Betreff der sogenannten mecklenburgischen Frage, um so mehr, als die Mehrheit
im Bundesrat anfing, sich jenen Anträgen zuzuneigen. Dezshalb suchte er
Bassewitz zu bestimmen, Mecklenburg möge nur selbständig mit Verfassungsreform
vorgehen. Letzteres geschah denn auch in den Jahren 1872—1874; zunächst
zwar ohne Resultat, doch genügte dies, um den Reichstag einstweilen zu be-
ruhigen. Und auch später ward er damit beruhigt, daß die Verfassungsverhand=
lungen zwischen Regierung und Ständen wieder ausgenommen werden sollten.
Dabei ist es geblieben.
Graf Bassewitz und Bismarck kannten sich schon von Jugend her, und diese
Freundschaft hat sich bis zum Tode des Grafen erhalten. Graf Bassewitz
war stets von der größten Verehrung für Bismarck erfüllt. Im Bundesrat
war derselbe nur für Mecklenburg-Schwerin, nicht auch für Strelitz beglaubigt,
da nur der jedesmalige Gesandte gemeinsamer Bevollmächtigter war; seine
Ernennung zum Bundesratsbevollmächtigten erfolgte, als Fürst Bismarck den
Wunsch äußerte, die leitenden Minister der Bundesstaaten im Bundesrat zu haben.
An den Arbeiten desselben dürfte sich derselbe kaum beteiligt haben.
Ausschuß, gleichzeitig seine Präsentation und demnächst seine Allerhöchste Ernennung zum
Landrat. In dieser Stellung entwickelte er sowohl bei den Arbeiten des engern Aus-
schusses wie bei den Verhandlungen des Landtags fast zwei Jahrzehnte hindurch eine von
dem lebendigsten Interesse für das Wohl des Landes getragene umfassende und in hohem
Grade einflußreiche Thätigkeit, bis ihn im Jahre 1869 das Vertrauen des Großberzogs
Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin zu der Stellung eines Vorsitzenden des
Staatsministeriums, in Verbindung mit der Leitung des Ministeriums der auswärtigen
Angelegenheiten und des Großherzoglichen Hauses, berief. Vor seiner Ernennung zum
Staatsminister hat Graf Bassewitz als Vertreter eines mecklenburgischen Wahlkreises drei
Jahre hindurch dem Reichstage des Norddeutschen Bundes angehört. Ueber seine politische
Wirksamkeit vgl. das Werk von Ludwig v. Hirschfeld über den Großherzog von Mecklenburg-
Schwerin Friedrich Franz II. Ein ehrender Nachruf seines Großherzogs befindet sich
im Regierungsblatt für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Amtliche Beilage Nr. 39,
d. d. 17. Dezember 1885, ein ausführlicher Nekrolog in dem „Mecklenburgischen Anzeiger"
vom 16. Dezember 1885.