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Landrat und Hilfsarbeiter im Reichskanzler-Amt
v. Pommer-Eschet)
(geboren 1837)
und zwar ohne Unterbrechung seit dem Sommer 1871 bis Ende Juli 1879,
wo derselbe wegen seiner Ernennung zum Unterstaatssekretär in Straßburg
dieses Nebenamt abgab. Vertretungen fanden nur in Ausnahmefällen statt,
in denen Pommer-Esche behindert war, an einer Sitzung teilzunehmen.
Derselbe hat also bei Beratung aller der bedeutenden Reichsgesetze, welche in
den Jahren seit Herbst 1871 bis Herbst 1879 erlassen sind, das Protokoll
geführt. Bei dieser Sachlage werden die folgenden Notizen, deren Benutzung
er mir für mein Werk überlassen hatte, von besonderem Werte sein.
„Den Vorsitz im Bundesrat führte meistens der Staatsminister Dr. Del-
brück;7) der Reichskanzler Fürst Bismarck übernahm ihn nur ausnahmsweise.
Dies war meines Erinnerns namentlich bei solchen Vorlagen der Fall, welche
den Zweck hatten, das Reich finanziell auf eigene Füße zu stellen, insbesondere
bei Gesetzentwürfen über indirekte Steuern. Die Anwesenheit des Fürsten-
Reichskanzlers machte für den Protokollführer, obgleich er dem Vorsitzenden
gegenüber saß, besondere Aufmerksamkeit nötig. Denn während die anderen
Bevollmächtigten auf Wunsch des Protokollführers in der Regel eine Formulirung
ihrer Anträge und Erklärungen gaben, vermied es der Protokollführer, den
Fürsten-Reichskanzler um eine solche zu bitten, er suchte vielmehr selbst für die
Aeußerungen des Reichskanzlers eine möglichst knappe Fassung zu finden. Die
1) Albert v. Pommer-Esche, 1865 Landrat des Kreises Moers am Rhein, 1867 bis
1869 Mitglied des Abgeordnetenhauses, der freikonservativen Fraktion beigetreten, am
7. September 1870 im Gefolge des Heeres in den Dienst des General-Gouvernements in
Straßburg berufen und mit der Verwaltung des französischen Arrondissements Sarre-
guemines (jetzigen Kreises Saargemünd und Forbach) beauftragt. Am 15. Juli 1871 wurde
er dem Reichskanzler-Amt überwiesen und hauptsächlich mit der Bearbeitung von Geschäften
von Elsaß-Lothringen im Bundesrat beauftragt. Im Juni 1872 unter Gegenzeichnung
des Fürsten Bismarck zum vortragenden Rat im Reichskanzler-Amt (Geheimer Regierungsrat,
später Geheimer Ober-Regierungsrat) ernannt. Als dann am 1. Oktober 1879 die Zentral-
verwaltung von Elsaß-Lothringen nach Straßburg verlegt und der Generalfeldmarschall
Freiherr v. Manteuffel Statthalter von Elsaß-Lothringen wurde, erfolgte seine Ernennung
zum Unterstaatssekretär in dem neu begründeten Ministerium von Elsaß-Lothringen und
zum Vorstand der Abteilung dieses Ministeriums für Inneres, Kultus und Unterricht.
Meinungsverschiedenheiten mit Herrn v. Manteuffel wegen der Behandlung der deutschen
Beamten in Elsaß-Lothringen veranlaßten 1883 seinen Rücktritt in den preußischen Staats-
dienst, in dem er bis Oktober 1888 als Regierungspräsident in Stralsund (seiner elterlichen
Heimat), dann bis Oktober 1890 als Regierungspräsident in Trier, seit Oktober 1890 als
Oberpräsident der Provinz Sachsen zu Magdeburg thätig ist.
2) Beiläufig bemerkt, hat sich Delbrück im Jahre 1875 mit einer Schwester Albert
v. Pommer-Esches verheiratet.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 14