— 212 —
Bismarcks lauteten und welche Modifikationen dieselben in den Ausschüssen und
im Plenum des Bundesrats gefunden haben. 1)
Im einzelnen ist in Einhaltung der in der Reichsverfassung adoptirten
Reihenfolge nachstehendes zu bemerken:
1. Reichsgesetzgebung (Art. 4 und 5 der Verfassung).
Unterstützungswohnsitz. Baden und Württemberg hatten bei dem
Bundesrat die Einführung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz
vom 1. Januar 1873 ab 2) beantragt (Gesetz vom 8. November 1871, Reichs-
Gesetzdl. S. 391). Bei Beratung dieses Gesetzes im Reichstag wurde von
demselben auf Antrag des Abgeordneten v. Bonin beschlossen, den Reichskanzler
zu ersuchen: 1. durch Vermittlung bei den Bundesregierungen feststellen zu lassen,
ob die sowohl nach dem Gesetze über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni
1870 als nach dem Gesetze über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 un-
erläßliche Feststellung des Personenstandes der Bundesangehörigen ge-
regelt und sichergestellt ist, und 2. wenn sich ergeben sollte, daß dies nicht in
vollem Umfang der Fall ist, die durchgreifende und gleichmäßige Regelung dieser
Angelegenheit im Wege der Reichsgesetzgebung herbeizuführen. In Betreff dieser
Resolutionen wurde in der Sitzung des Bundesrats vom 8. Dezember 1871
auf den mündlichen Bericht des sächsischen Bevollmächtigten, Geheimen Regie-
rungsrats Schmalz beschlossen, auf den Antrag unter Nr. 2 der Resolution nicht
einzugehen, dagegen dem Reichskanzler anheimzugeben, den Antrag unter Nr. 1
den Bundesregierungen zur Aeußerung mitzuteilen. Der mit überwiegender
Majorität gefaßte Beschluß wurde damit motivirt, daß die Verhandlungen im
Reichstag über den Antrag Bonin in keiner Weise den Beweis geliefert hätten,
daß die reichsgesetzliche Regelung der Feststellung des Personenstandes (durch
Uebertragung der Führung der Zivilstandsregister auf die bürgerlichen Behörden)
eine Notwendigkeit sei behufs gleichmäßiger Durchführung der in der Resolution
erwähnten Reichsgesetze über die Freizügigkeit und den Unterstützungswohnsitz. 5)
Auf dies hin wurden sämtliche Bundesregierungen im Sinne dieses Beschlusses
um Aeußerung über den in den einzelnen Staaten zurzeit bestehenden Rechts-
zustand ersucht. Das Ergebnis wurde in einer Nachweisung der in den ein-
1) In der Hauptsache handelt es sich darum, ein Quellengebiet zu erschließen, das
die Reichstagsverhandlungen ergänzt. Was von den Bundesratsverhandlungen in die
Reichstagsverhandlungen übergegangen ist, braucht bier nicht wiedergegeben zu werden.
2) „National-Zeitung“ Nr. 499 vom 25. Oktober 1871 und Nr. 501 vom 26. Oktober
1871.
3) Ueber die Stimmung im Ausschuß über diese Frage vgl. die „National-Zeitung“
Nr. 579 vom 10. Dezember 1871. Mitteilung des „Reichsanzeigers“ über die Ausführung
des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Mai 1870 f. Nr. 327 vom
16. Juli 1871.