Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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keiner Weise vorliege und man an der Hand des Antrags dahin kommen müsse, 
die Justizhoheit der Einzelstaaten illusorisch zu machen. Vergeblich suchten die 
preußischen Bevollmächtigten, der Staatsminister Delbrück und der Geheimrat 
Dr. Falk, diese Bedenken zu zerstreuen und auszuführen, wie ja die Verfassung 
nur eine Zusammenstellung zerstreuter Rechtsmaterien sei, welche man bei der 
Kürze der Zeit einer Revision nicht hätte unterwerfen können, und daß materiell 
gewisse Rechtsgebiete bereits der Reichskompetenz unterstellt seien, wodurch an- 
gesichts der schwierigen Begrenzung derselben schon allerlei Unzuträglichkeiten 
vorgekommen seien, wobei an das Hypothekenrecht, an das Eherecht, an das 
Obligationenrecht erinnert wurde, unter ausdrücklicher Betonung, daß die gemein- 
same Zivilprozeßordnung Uebergriffe in das Zivilrecht doch unvermeidlich machen 
würde. 
Die Mehrheit der beiden Ausschüsse empfahl gleichwohl dem Plenum des 
Bundesrats die Ablehnung des genannten Antrags. Der darüber erschienene 
Ausschußbericht entwickelte ausführlich die verschiedenen Gesichtspunkte. 
Die Mehrheit war zunächst dagegen, jetzt schon die kaum vereinbarte 
Verfassung wieder abzuändern, zumal weder bezüglich des Zivilrechts noch be- 
züglich der Gerichtsorganisation ein dringendes sachliches Bedürfnis für die 
vorgeschlagene Abänderung vorliege. Mit Vorbedacht und aus guten Gründen 
sei bei der Schöpfung der Verfassung die Kompetenz der Reichsgesetzgebung 
auf das Obligationen-, Handels= und Wechselrecht beschränkt worden. Eine 
gleichheitliche Ordnung auch des nur in beschränkteren Kreisen wirkenden Personen-, 
Familien-, Sachen= und Erbrechtes werde bei den verschiedenartigen Verhält- 
nissen nicht ohne empfindliche Schädigung berechtigter Interessen möglich sein. 
Die Annahme des Antrags würde auch die nachteilige Folge haben, daß, ob- 
wohl das Zustandekommen eines deutschen Zivilgesetzbuchs erst von einer ent- 
fernteren Zukunft zu erhoffen wäre, doch schon jetzt die Thätigkeit der Landes- 
gesetzgebungen in allen -Gebieten des Zivilrechts lahm gelegt und die 
Abhilfe selbst empfindlicher Mißstände im Wege der Landesgesetzgebung faktisch 
unmöglich gemacht werden würde. In Betreff der Gerichtsorganisation würde 
allerdings die Einführung der Reichs-Prozeßgesetze die Aufstellung gewisser ein- 
heitlichen Normen zur Folge haben müssen, hiezu werde es aber einer Verfassungs- 
änderung nicht bedürfen, wofern das notwendige Maß nicht überschritten würde. 
Es gebe viele Punkte, welche über dieses Maß hinausfallen und doch in das 
Gebiet der Gerichtsorganisation gezogen werden können. Die Folge würde 
dann sein, daß von der den Bundesstaaten durch die Verfassung gewährleisteten 
Justizhoheit nichts übrig bliebe, ein um so bedenklicherer Zustand, als in diesen 
Staaten die Gerichtsorganisaton im allgemeinen mit der Organisation anderer 
staatlichen Institutionen verwachsen sei. 
Die Minderheit teilte den formellen Gesichtspunkt der Unangemessen- 
heit der Verfassungsänderung schon im gegenwärtigen Augenblick nicht und
	        
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