Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 237 — 
wußte, daß sich der Reichskanzler auf das entschiedenste gegen seinen Antrag 
erklärt hatte. Bunsen hatte die Frage dem Reichskanzler schriftlich unterbreitet 
und umgehend zur Antwort erhalten, daß er nicht geneigt sei, auf den Antrag 
einzugehen, weil es dem Reich an Organen zur Verteilung fehle, und weil diese 
Aufgabe kleine Kreise und Vereine zu erfüllen hätten. 
Ueber das Schicksal dieses Antrags gibt das nachstehende Schreiben 
Bismarcks an den Bundesrat vom Juni 18711) näheren Aufschluß: 
Der Reichstag hat in seiner Sitzung vom 23. vorigen Monats den Antrag 
des Abgeordneten Bunsen und Genossen, betreffend die Bildung eines Reichs- 
fonds zur Unterstützung der aus dem Felde zurückkehrenden Reservisten und 
Landwehrmänner, ungeachtet des dagegen von seiten des Bundesrats erhobenen 
Widerspruchs, angenommen. Die bezügliche Mitteilung des Präsidenten des 
Reichstags ist laut Beschlusses vom 24. vorigen Monats dem ersten und zweiten 
Ausschusse überwiesen. Bei der Beratung über den Antrag ist die Bedürfnis- 
frage an sich im Namen der verbündeten Regierungen keineswegs verneint, 
sondern der Antrag ist nur aus dem Gesichtspunkte der Unmöglichkeit bekämpft 
worden, die ihm zu Grunde liegende wohlwollende Absicht von Reichs wegen zu 
verwirklichen. Bei dieser Sachlage und mit Rücksicht auf die im Reichstage 
abgegebenen Erklärungen ist nach der Ansicht des Unterzeichneten die in dem 
Bundesrat in dieser Angelegenheit einzunehmende Haltung von selbst vorgezeichnet. 
Der Bundesrat wird die eigentliche Initiative zur Abhilfe des in der gedachten 
Beziehung obwaltenden Notstandes den einzelnen hohen Bundesregierungen zu 
überlassen und seinerseits auf eine allgemeine Anregung und auf die Andeutung 
des zweckmäßigen Weges, um zu dieser Abhilfe zu gelangen, zu beschränken 
haben. Dieser Weg möchte darin zu finden sein, daß die einzelnen hohen 
Bundesregierungen à conto des ihnen demnächst zu überweisenden Anteils an 
der französischen Kriegsentschädigung den Kommunalverbänden (Kreisen, Städten, 
Ortsbezirken oder Vereinen), welchen die Unterstützung der Landwehr= und 
Reservistenfamilien obliege, die Mittel überweisen, um den durch die Ein- 
ziehung zur Fahne in ihren Erwerbs= und Vermögensverhältnissen besonders 
schwer geschädigten Reserve-Offizieren und Mannschaften die Wiederaufnahme 
ihres bürgerlichen und gewerblichen Berufs nach Möglichkeit zu erleichtern. Der 
Unterzeichnete beehrt sich hiernach, dem Bundesrat die dementsprechende Beschluß- 
fassung ganz ergebenst anheimzustellen. 
Der Reichskanzler. 
v. Bismarck. 
Dem Vorschlage Bismarcks, diese ganze Sache den einzelnen Regierungen 
zu überlassen, stand nur eines entgegen, daß keiner der deutschen Landtage zur 
Sommerszeit versammelt war. Es trat also doch an den Bundesrat die 
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.