Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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die Erhaltung der notwendigen Ordnung im eigenen Haushalt wesentlich erschwert 
wird. Dem Reiche nicht, weil dieses in der Verfolgung seiner Aufgabe auf 
den Gebieten der Gesetzgebung und der Verwaltung nur bei voller finanzieller 
Unabhängigkeit frei und ungehemmt vorgehen kann. Diese Erwägungen führen 
auf die Frage, ob nicht dem Reich weitere eigene Einnahmen von 
dauernder Ergiebigkeit verfügbar gemacht werden können. Soll 
dabei in die bestehenden Steuersysteme der einzelnen Bundesstaaten nicht störend 
eingegriffen und doch ein Steuerobjekt gefaßt werden, das einen hohen Ertrag 
abwerfen kann, so bietet sich als ein solches der Tabak dar, dessen Verbrauch 
nach Art. 35 der Verfassung bereits dem Reich ausschließlich zur Besteuerung 
überwiesen ist, bis jetzt aber faktisch nicht so hoch besteuert wird, als er nach 
den Erfahrungen anderer Staaten herangezogen werden könnte. 
Die finanziellen Ergebnisse der gemeinschaftlichen Tabaksteuer in Deutschland 
sind bis jetzt ganz geringfügige gewesen. Sehr hohe Einnahmen werden dagegen 
aus der Besteuerung des Tabakverbrauchs namentlich in denjenigen Staaten 
erzielt, in welchen der Tabakverkehr der Privatindustrie entzogen und dem 
Monopol unterworfen ist. Im Hinblick hierauf haben die württembergischen 
Bevollmächtigten bei den Verhandlungen, welche dem Abschlusse des Vertrages 
vom 25. November 1870 über den Beitritt zu der zwischen dem Norddeutschen 
Bunde, Baden und Hessen vereinbarten Verfassung des Deutschen Bundes vorher- 
gegangen sind, den Wunsch ihrer Regierung auszusprechen gehabt, daß der 
Bundesrat sobald als thunlich die Einführung des Tabakmonopols in Erwägung 
nehmen möge. Die Königlich württembergische Regierung erachtet es an der 
Zeit, auf den Gegenstand zurückzukommen. In ihrem Auftrage haben die Unter- 
zeichneten die Ehre, der Beschlußfassung des Bundesrats den Antrag zu unter- 
stellen: die Frage einer höheren Besteuerung des Tabakverbrauchs im Deutschen 
Reiche, insbesondere auch die Frage der Einführung des Tabakmonopols, einer 
näheren Prüfung und Erörterung zu unterziehen. Die Annahme ist wohl eine 
gerechtfertigte, daß der Gegenstand so wird gefördert werden können, daß der 
Bundesrat über die Vorlage der betreffenden Ausschüsse in der Herbstsession zu 
beschließen in der Lage sein wird. 
Der württembergische Antrag fand bei den preußischen Mitgliedern des 
Bundesrats (Camphausen, Delbrück), wie man sich denken kann, wenig Anklang. 
Man hielt es für inopportun, für den auf dem Prinzip der Handelsfreiheit 
aufgebauten Zollverein ein Institut zu empfehlen, welches zu den schwierigsten 
und komplizirtesten Finanzeinrichtungen gehöre, langer Vorbereitungen zu seiner 
Realisirung bedürfe und die Beschaffung eines nach Millionen zählenden Anlage- 
und Betriebskapitals erfordere. Der Antrag wurde denn auch in aller Stille 
begraben. Es scheint, daß das Plenum des Bundesrats gar nicht damit 
befaßt wurde.
	        
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