Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Der Verfassungsausschuß begründete die von ihm vorgenommenen Abände- 
rungen der Vorlage 1) in einem ausführlichen Bericht, dem wir folgendes ent- 
nehmen: Ueber die erste Frage, in welcher Weise die neu erworbenen Lande 
mit Deutschland vereinigt werden sollen, bemerkte der Bericht, können ver- 
schiedene Ansichten obwalten. Einerseits könne geltend gemacht werden, daß die 
Wiedergewinnung von Elsaß und Lothringen ein Ergebnis gemeinsam vom 
deutschen Volke ausgeführter Thaten sei, in denen das deutsche Volk seine Einig- 
keit und Größe wiedergefunden habe, und daß deshalb die wiedererworbenen 
Lande dem ganzen Reiche einverleibt, weder einem Einzelstaate zugewiesen noch 
zugeteilt werden dürfen. Andererseits könne hervorgehoben werden, daß es sich 
bei dem Friedensabschluß nicht um Ländererwerb und Eroberung, sondern ledig- 
lich um Sicherheit der deutschen Grenzen gegen einen vielleicht wieder zu be- 
kämpfenden Feind handle. Von diesem Standpunkt aus käme es nur darauf 
an, das Erworbene sicher zu behaupten, und dies würde gewiß ebenso gut wie 
durch Einverleibung in das Reich, auch durch Vereinigung mit Preußen, dem 
mächtigsten Staate, herbeigeführt werden können. Denn die Interessen des Reichs 
und Preußens seien in dieser Beziehung identisch, und kein Glied des Reichs 
würde sich beeinträchtigt fühlen, wenn Preußen nicht als Mandatar, sondern 
zu eigenem Recht die Souveränität über Elsaß und Lothringen überkäme. Eine 
solche Regelung hätte sogar vielleicht noch andere Vorteile. Es wäre die Ver- 
einigung mit einem Großstaate den erworbenen Landen vielleicht zuträglicher 
als die Einverleibung in das Reich, eine neue, von Fernerstehenden noch schwer 
verstandene Schöpfung. Auch sei die Reichsverfassung auf ein unmittelbares 
Reichsland eigentlich nicht berechnet, dieselbe sei auf Bundesstaaten berechnet, 
die noch eine besondere Landesverfassung hätten. Elsaß und Lothringen aber 
solle kein selbständiger Bundesstaat werden, und die Reichsverfassung enthalte 
auch nichts, was die Landesverfassung zu ersetzen im stande wäre. Auch das 
Reich selbst, so könne man sagen, das ohnehin verwickelt genug sei, dürfte durch 
eine weitere Komplikation, wie sie die Verwaltung der Landesangelegenheiten 
des Elsaß herbeiführe, schwerlich gewinnen. Indessen habe freilich Preußen 
zu entscheiden, ob es eine unmittelbare Annexion wünsche oder nicht; der Aus- 
schuß habe nur konstatiren wollen, daß einer solchen hier besprochenen Lösung 
wenigstens kein Widerstreben entgegentreten würde. Gelegentlich führte der Bericht 
aber an, daß die Bevölkerung von Elsaß und Lothringen das unmittelbare 
Verhältnis zum Reiche wünsche, dafür lägen thatsächliche Anhaltspunkte vor. 2) 
Der Bericht fuhr dann im wesentlichen weiter fort: 2. Wenn die Ver- 
1) Dieselben sind in der „National-Zeitung“ Nr. 186 vom 21. April 1871 in dem 
ursprünglichen Entwurfe mit gesperrter Schrift hervorgehoben. 
2) Die vorstehenden Erwägungen, welche für eine Einverleibung von Elsaß-Lothringen 
in den preußischen Staat geltend gemacht wurden, fehlten in den später dem Reichstag zu- 
gegangenen Motiven.
	        
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