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fassung des Deutschen Reichs in Elsaß und Lothringen in Kraft treten soll,
so werden gewisse Abänderungen respektive Ergänzungen der Verfassung not—
wendig werden. Es wird dies zum Beispiel zutreffen bei der Beschreibung des
Bundesgebiets, bezüglich der Feststellung der Zahl der im Elsaß und Lothringen
zu wählenden Reichstagsabgeordneten und wohl auch hinsichtlich der Bildung
des Bundesrats. Wenigstens entsendet der Kaiser als solcher keinen Bevoll—
mächtigten zum Bundesrat und sind überhaupt diese Bevollmächtigten nicht bloß
Vertreter der Regierungen, sondern Mitglieder einer Versammlung, die in ge-
wissem Maße Funktionen eines Staatenhauses übt und bei deren Beschickung
auch die Bevölkerungen wesentlich interessirt sind. Es kann allerdings gesagt
werden, daß sich solche Abänderungen und Ergänzungen der Verfassung von
selbst verstehen. Es dürfte aber doch an sich richtiger und insbesondere zur
Verhütung des möglichen Mißverständnisses, als wolle Elsaß und Lothringen
eine Vertretung im Bundesrat durch den Gesetzentwurf versagt werden, geeignet
sein, wenn eine bezügliche Hinweisung in die Vorlage aufgenommen würde.
Das preußische Gesetz, betreffend die Vereinigung der 1866 annektirten Staaten,
besage nach der Bestimmung, daß die preußische Verfassung in diesen Landes-
teilen am 1. Oktober 1867 in Kraft trete: „Die zu diesem Behufe notwen-
digen Abänderungs-, Zusatz= und Ausführungsbestimmungen werden durch be-
sondere Gesetze festgestellt". Die Aufnahme eines ähnlichen Satzes auch in die
gegenwärtige Vorlage möchte sich empfehlen. Daß eine Uebergangsperiode er-
forderlich, bevor das neue Reichsland in die Gemeinschaft des Reichs mit den
verfassungsmäßigen Rechten und Pflichten eintreten kann, daß die abgetretenen
Bevölkerungen selbst einen solchen Uebergang wünschen müssen, wird einer be-
sonderen Begründung nicht bedürfen. Der Termin des 1. Januar 1874, zu-
sammenfallend mit der Erneuerung der Legislaturperiode des Reichstags, scheint
nach allen obwaltenden Verhältnissen richtig gewählt zu sein.
3. Daß einzelne Abschnitte und Bestimmungen der Reichsverfassung schon
vor dem 1. Januar 1874 in Wirksamkeit sollten gesetzt werden können, erscheint
als durchaus zweckmäßig, ja wohl notwendig. Man denke an die Bestimmungen
über Indigenate, Zoll= und Handelswesen, Eisenbahnen, Posten und Telegraphen=
wesen, Kriegswesen. Eine Mitwirkung des Reichstags hierbei, bevor die Stellung
des Landes nach allen Seiten eine normale geworden, bei Anordnungen, für
welche die jeweiligen Verhältnisse und mancherlei nicht näher zu erörternde
Momente maßgebend sind, möchte um so eher auszuschließen sein, als der
Reichstag in außerordentlicher Weise nur behufs der Einführung einzelner Teile
der Verfassung in den neuen Gebieten doch nicht wohl berufen werden kann.
4. Daß in der Uebergangsperiode bis zum 1. Januar 1874 das Gesetz-
gebungsrecht überhaupt — auf dem Gebiete der Reichs= und Landesgesetzgebung
— von Kaiser und Bundesrat ausgeübt werde, wurde vom Ausschusse nicht
beanstandet. Ein Benehmen mit Notabeln und Sachkundigen des Reichslandes