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ist damit nicht ausgeschlossen. Eine Mitwirkung des Reichstags erscheint schon
deshalb als unthunlich, weil die Thätigkeit der Gesetzgebung in den neuen
Gebieten in der Uebergangszeit gerade eine ununterbrochene und jederzeit bereite
wird sein müssen. Vorauszusetzen wird sein, daß insbesondere auch die Ein-
führung schon erlassener Reichsgesetze in Elsaß und Lothringen hierher zu rechnen.
Aus der Einführung zum Beispiel des Abschnitts „Zoll- und Handelswesen“
würde nicht folgen, daß über die Besteuerung des Verbrauchs von Brannt—
wein, Bier 2c. nunmehr sofort nur durch Reichsgesetz Bestimmung getroffen
werden könnte.
5. Es würde eine besondere Verfassungsbestimmung für Elsaß und
Lothringen zugleich eine Abweichung von dem bisherigen Reichs-Staatsrechte bilden,
wenn das Recht der Gesetzgebung auch in den der Reichsgesetzgebung in den
Bundesstaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten für Elsaß und Lothringen
von dem Reiche in dauernder Weise ausgeübt würde. Damit wäre nicht aus-
geschlossen eine Provinzialvertretung im Gebiete der Administration, eine Landes-
vertretung mit konsultativem Votum überhaupt, wohl aber jede entscheidende
Mitwirkung einer Vertretung des Reichslandes auf dem Gebiete auch der Landes-
gesetzgebung. Daraus, daß als Träger der Staatshoheit über das Reichsland
das Reich erscheint, folgt streng genommen, daß das Recht der Gesetzgebung
dem Reiche zusteht, im Reiche ruht. Dessenungeachtet könnte unter Umständen
eine Mitwirkung bei Ausübung der Landesgesetzgebung vom Reiche einer Landes-
vertretung übertragen werden zur Wahrnehmung solcher Interessen, welche vor-
nehmlich als Interessen der Landesangehörigen erscheinen. Um hier in keiner
Weise zu präjudiziren, vereinigte sich der Ausschuß zu einem Vorschlage, mit
welchem ausgedrückt wird, daß die Meinung nicht die ist, es solle und müsse
für alle Dauer die ganze Gesetzgebung für Elsaß und Lothringen vom Reich
unmittelbar ausgeübt werden.
6. Sämtliche übrigen Hoheitsrechte außer der Gesetzgebung werden vom
Kaiser ausgeübt. Dieser Satz kennzeichnet das Verhältnis des unmittelbaren
Reichslandes. Der Deutsche Kaiser als erblicher Vertreter der Gesamtheit, in
welcher die Souveränität über das Reichsland liegt, übt die landesherrlichen
Rechte über das Reichsland aus. Als selbstverständlich betrachtet der Ausschuß,
daß die landesherrlichen Anordnungen und Verfügungen des Kaisers zu ihrer
Giltigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers bedürfen, welcher dadurch die
Verantwortlichkeit übernimmt. Dieser Minister wird der Reichskanzler sein, es
mag nun die gesetzgebende Gewalt dem Reichstag allein oder dem Reichstag
und in Landesangelegenheiten einer Landesvertretung zugewiesen werden. Denn
die letztere wirkt an der Landesgesetzgebung kraft Uebertragung seitens des
Reichs mit; für das Reich wird verwaltet, dem Reiche ist Verantwortung
zu legen, wobei die Einräumung des Rechts, Wünsche und Beschwerden vor-
zutragen an eine Landesvertretung im engeren Sinne nicht ausgeschlossen ist.