Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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In der ihm von dem Bundesratsausschuß gegebenen Fassung nahm der 
Bundesrat die Vorlage an. Es fehlte nicht viel, daß aus Anlaß dieses Gesetzes 
ein Konflikt zwischen dem Bundesrat und dem Reichstag sich entwickelte, da der 
letztere es für erforderlich erachtete, ausdrücklich die Verantwortlichkeit des Reichs- 
kanzlers auszusprechen, und die Befugnisse der leitenden Staatsbehörde erheblich 
einzuschränken, indem man die Uebergangszeit schon mit dem Jahr 1873 ab- 
schließen und die Aufnahme von Darlehen für Bedürfnisse des neuen Gebiets 
von der Genehmigung des Reichstags abhängig machen wollte. Erfreulicher- 
weise wurden die aufgetretenen Schwierigkeiten durch ein Kompromiß zwischen 
Reichskanzler und Bundesrat beseitigt. Bismarck nahm den Antrag an, daß 
die Bestimmung wegen Genehmigung von Anleihen durch den Reichstag auf 
solche Anleihen beschränkt werden sollte, durch welche irgend eine Belastung des 
Reichs herbeigeführt werde. Dagegen hielt der Reichstag an dem kürzeren 
Termin für die Einführung der Reichsverfassung (1. Januar 1873) fest. 
Die vom Reichstag beschlossenen Abänderungen 1) fanden dessen Zustimmung. 
Das Gesetz wurde publizirt in dem ersten Stück des „Gesetzblattes für Elsaß- 
Lothringen“?) (S. 1—129. 
Welch große Verantwortung mit dem Gesetze in Bismarcks Hand gelegt 
wurde, bedarf keiner Bemerkung. 3) 
1) Vgl. die „National-Zeitung“ Nr. 238 vom 24. Mai 1871. 
2) Dasselbe wurde ins Leben gerufen durch Gesetz vom 3. Juli 1871 (Gesetzbl. für 
Elsaß-Lothringen). Es war dies das erste vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesrats 
erlassene Gesetz, welches sich auf Elsaß-Lothringen bezog. 
3) Die „National-Zeitung“" Nr. 240 vom 25. Mai 1871 äußerte sich wie folgt: Noch 
nie in seinem ereignisreichen Leben hat Fürst Bismarck einer gleich schwierigen Aufgabe 
gegenübergestanden. Wenn bisher das Schwergewicht seines Wirkens in die Verhand- 
lungen mit deutschen und fremden Staaten fiel, so konnte er sich auf seine eigene Kraft 
verlassen und alle dienstthuenden Diplomaten wurden von seinem Willen und seinem Ver- 
ständnis geleitet. Aber die gesamte Regierung eines Landes läßt sich nicht an einem Faden 
leiten, nicht mit einem einzigen festen Vorsatz bewältigen. Die Verwaltung des kleinen 
Kreises Lauenburg unter dem Namen eines Staates übersteigt nicht die Beschwerlichkeiten 
eines etwas ausgedehnten Domänenbesitzes, und es ist leicht, den kleinen Wagen in den 
alten, ausgefahrenen Spuren weiter rollen zu lassen. In den neu erworbenen preußischen 
Provinzen fielen die Einzelheiten der Verwaltung den preußischen Ressorts zu, der preußische 
Staat stellte seine besten Kräfte zur Verfügung, die Minister und ihre Stäbe teilten sich 
in die Verantwortlichkeit, die vermeidlichen Fehler und unvermeidlichen Härten wurden auf 
Rechnung der anderen gesetzt und der preußische Ministerpräsident trat in die Oeffentlich- 
keit nur wo ein Fehler noch gut gemacht, Abhilfe gewährt werden konnte oder ein über 
dies Gewöhnliche hinausragender Gedanke zu vertreten war. Und dabei waren die neu- 
erworbenen Provinzen ganz deutsch, und mit wenigen unwürdigen Ausnahmen überstieg 
der Widerstand nicht das Maß einer beimischen Opposition. In Elsaß und Lothringen 
steht, nach Vorschrift des Reichsgesetzes, Fürst Bismarck allein vor der ungemein schwie- 
rigen Aufgabe. Wir sprechen nicht allein und nicht einmal vorwiegend von der förmlichen 
Verantwortlichkeit, welche das Gesetz dem Reichskanzler für alle Anordnungen des Kaisers 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 17
	        
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