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Ober-Regierungsrat Riecket)
(geboren 27. Mai 1830).
Die politische Wirksamkeit Rieckes datirt von der Zeit, da derselbe, nach-
dem Sigel die Leitung des Finanzdepartements übernommen, ein selbständiges
Referat von dessen Ministerium anvertraut bekam. Von jetzt ab begannen auch
dessen Wanderjahre „in Goetheschem Sinne“. Kaum einen Monat nach Be-
gründung des eigenen Hausstandes?) ging es Mitte Juni 1861 mit Extrapost
nach Rottweil zur Besichtigung einer Gewerbeausstellung, zwei Monate später
hatte er sein erstes Entree in den badischen Ministerien, und von da an war
er bis 1874 durch Berufsreisen volle tausend Tage der Heimat und dem
Familienleben entzogen.
Die erste dienstliche Reise Rieckes nach Berlin (im September 1863) galt
dem internationalen statistischen Kongreß, die folgenden neunzehn Reisen dorthin
wurden veranlaßt durch seine Teilnahme an Verhandlungen wegen Erneuerung der
Zollvereinsverträge (1863, 1864, 1867), durch den Vertrag wegen Einführung
einer gemeinschaftlichen Salzsteuer im Zollverein (1867), endlich durch seine
Bevollmächtigung zum Bundesrat (1868—1872).
Die erste zolldiplomatische Verwendung erhielt Riecke in den Jahren 1863
bis 1864. Trotz aller Mahnungen seinerseits mußte Württembergs Zoll-
politik in der Frage des französischen Handelsvertrages und der damaligen Zoll-
vereinserneuerung mit einer völligen Niederlage enden, und war der Spott des
„Kladderadatsch" in der Nummer vom 2. Oktober 1864 nicht unverdient,
wo es hieß:
Riecke kommt, Riecke kommt,
Kommt vom Lande Schwaben,
Freut mir sehr, freut mir sehr,
Daß wir dir nun haben!
1) Riecke wurde im Frühjahr 1858 als Hilfsarbeiter in das Finanzministerium berufen, hat
dort 1859 das Referat in Zoll- und Handelsangelegenheiten übernommen und von 1862—1872
auch an den Verhandlungen wegen Erneuerung der Zollvereinsverträge und wegen des
Eintritts von Württemberg in das Deutsche Reich teilgenommen; 1873 wurde er mit der
Leitung des statistisch-topographischen Bureaus, 1880 mit der des Steuerkollegiums betraut,
1886 zum Mitglied des Geheimen Rats und 1891 zum Staatsminister der Finanzen er-
nannt. Daneben war er von 1872—1891 Mitglied der Kammer der Standesherren, von
1876—1891 Mitglied und zuletzt Präsident der evangelischen Landessynode.
Von seinen Schriften erwähne ich das in zwei Auflagen erschienene Werk: Verfassung,
Verwaltung und Staatshaushalt des Königreichs Württemberg (1881 und 1886). Riecke
wurde 1871 auch Mitglied des Bundesrats des Deutschen Reichs und gehört dieser Körperschaft
auch jetzt wieder seit 1892 an. Wie Rieckes Stellung zur deutschen Frage auf preußischer
Seite aufgefaßt wird, zeigt eine Bemerkung Delbrücks in einem Briefe an Lasker vom
18. Oktober 1870 (Deutsche Revue, XVII. Jahrgang 1892, Bd. III, Juli-September).
2) Die oben stehenden Mitteilungen sind Aufzeichnungen entnommen, welche Riecke
vor zwanzig Jahren für seine Frau und für Verwandte und nähere Freunde nieder-
geschrieben hat.