Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Nachdem der Fürst sich schon mehrmals dahin ausgesprochen, daß mit dem „Ich“ 
eine persönliche Verantwortung, welche keinem einzelnen Ministerkommissarius 
oder Bundesratsmitgliede zustehe, verbunden sei, hielt er es später für erforder— 
lich, in einem Schreiben an das Präsidium des Hauses sich darüber aus— 
zusprechen, wodurch der betreffende Minister natürlich sehr unangenehm berührt war. 
Daß der Fürst seine Meinung über Personen häufig in halblauten Selbst- 
gesprächen am Bundesratstische zu erkennen gab, so daß die vor ihm sitzenden 
konservativen Mitglieder sie deutlich hörten, ist wohl bekannt. Diese Aeußerungen 
wurden dann fleißig kolportirt. 
So nannte er einen sehr geschwätzigen Abgeordneten „Infamer krummbeiniger 
Judenjunge"“. Bei einer andern Gelegenheit sagte er: „Rührt man den Kerl 
an, so springt eine zweistündige Rede heraus“. 
Ein sehr hoch stehender Abgeordneter hatte sich, wie man hörte, über die 
Einführung der Getreidezölle sehr abfällig geäußert und ihrer Einführung wider- 
strebt. Der Fürst äußerte in hörbarem Monologe: „Der Jude braucht mehrere 
tausend Wispel Korn für seine Schnapsbrennereien“. 
2. Sapern. 
Justizminister Dr. v. Fäustlet) 
(geboren 28. Dezember 1828, gestorben 17. April 1887). 
Nachdem Dr. Fäustle im März 1872 zum Vertreter Bayerns im Bundesrat 
ernannt worden war, nahm er in der Folge, da der Minister v. Lutz gerne zu 
Hause blieb, an den Verhandlungen in den Bundesratsausschüssen, im Bundesrat 
selbst?) sowie späterhin in der Justizkommission des Reichstags und im Reichstag#) 
1) Dr. Johann v. Fäustle, geboren zu. Augsburg, katholisch, Besuch des Gymnasiums 
zu Augsburg und der Universität zu München. 1857—1858 Assessor bei dem Kreis= und 
Stadtgericht zu Augsburg, 1858—1860 Rat am Bezirksgericht Donauwörth, 1860—1862 
Assessor am Appellationsgericht zu Neuburg, 1862—1865 Vorstand des Stadtgerichts 
München, 1865—1871 Referent im Staatsministerium der Justiz, 21. August 1871 bis 
zu seinem Tode Justizminister. Ausführlicher Nekrolog in der „Münchener Allgemeinen 
Zeitung“ Nr. 195 vom 26. Mai 1887. Seine gute deutsche Gesinnung bethätigte er bereits 
1869 durch Teilnahme an einer Versammlung in Heidelberg, die unter Hölders Vorsitz 
den Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund beriet. 
2) Fäustle erstattete Vortrag im Bundesrat in der Sitzung vom 30. Mai 1872 über 
die sächsische Ausführungsverordnung zum Strafgesetzbuch; er brachte am 5. Juni 1873 
gemeinsam mit dem Freiherrn v. Perglas den Antrag im Bundesrat ein, betreffend die 
Einführung des Gesetzes über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs= und Wirtschafts- 
genossenschaften in Bayern, und war Referent des Gesetzes, betreffend die Einführung der 
Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen (Session 1873). 
3) Teilnahme Fäustles an den Verhandlungen des Reichstags vom 29. Mai 1872, 
betreffend die Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Reichsverfassung, stenographischer 
Bericht S. 601 f. (vgl. dazu die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ Nr. 156 vom 4. Juni 
1872), an der Sitzung des Reichstags vom 27. März 1874 (Beratung des Antrags 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 18
	        
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