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dienstlich zu verkehren. Unter den Räten des Reichskanzler-Amts endlich ward
mir vor allen wert Otto Michaelis.
Nach meinem Austritt aus dem Bundesrat bin ich noch zweimal in Ber-
lin gewesen: zuerst vom 25.—31. März 1873 mit einem von vornherein aus-
sichtslosen Auftrag bezüglich der Gewehrfabrik Oberndorf; dann vom 3. bis
12. August 1874 als Statistiker zum Behuf der Regelung der Volkszählung
vom 1. Dezember 1875.“
Der Verlauf und das Ergebnis der Arbeiten und Geschäfte in München,
woselbst Riecke zur Erledigung von Zoll= und Steuerfragen gleichfalls mehrfach
längeren Aufenthalt zu nehmen hatte, ließ bei demselben für eine gehobene Stim-
mung sonst kaum einen Raum. Ein Glück, wenn das Resultat rein negativ lautete.
„Die bayerische Führung der süddeutschen Politik in den sechziger Jahren erwies
sich als eine fatale und nicht besser war es auf dem beschränkteren Gebiete der
Zollpolitik. Dem ersten der bayerischen Kollegen, Weber, fehlte bei allem Geist
und trotz reicher Erfahrungen die nötige Festigkeit, um den Besprechungen einen
Halt zu gewähren und denselben einigermaßen ihr Ziel zu sichern. Der zweite
Kollege, Meixner, war von kaum zu beschreibender Trägheit, der denn auch in
Berlin unserer Sache unendlich geschadet hat, indem er die Verhandlungen stets
dadurch verschleppte, daß er entweder ohne Instruktion oder nicht mehr vor-
bereitet zu sein vorgab. Kam es endlich zur Sitzung und sollte er für seine
Erklärungen auch Gründe angeben, so berief er sich schließlich entweder auf den
württembergischen Kollegen oder auf seine Generalzolladministration, wobei es
auch einmal vorkam, daß er erst beim Vorlesen des Berichts der letzteren schließ-
lich entdeckte, daß diese gerade das Gegenteil beantragt hatte.
Mit unumwundener, rückhaltloser Anerkennung dagegen gedenke ich des
späteren Finanzministers Berr, mit welchem ich von 1867 bis 1872 im Bundes-
rat gearbeitet habe und dessen Fleiß, Kenntnisse und Charakter zu erproben ich
alle Gelegenheit hatte. Auch der Justizminister Dr. Fäustle hat in dem einen
Fall, in welchem mir beschieden war, gemeinschaftlich mit ihm zu operiren, in
der Frage der Verteilung der französischen Kriegsentschädigungsgelder, zur rechten
Zeit die nötige Energie entwickelt. Sein Faustschlag auf den Bundesratstisch
am 9. Mai 1872 beim Gespräch mit Friesen von Sachsen und auf dessen
ungenügendes Anbot sein lebhaft gesprochenes Wort: „Kein Trinkgeld nehm' i
nitt, hat damals gute Wirkung gethan. Nach dem Tode des Grafen Hegnen-
berg, am 2. Juni 1872, sagte er zu mir: „Wir Mittelstaaten haben halt Pech!
Bei der Erinnerung an die offiziellen Tage in München legt es sich mir
nahe, auch der österreichischen Kommissare Erwähnung zu thun, mit welchen
ich dort zweimal zu konferiren hatte. Im Oktober 1863 bin ich als Begleiter
des damaligen Direktors Geßler in München mit dem Freiherrn v. Kalchberg, im
Juni 1866 an der Seite des Geheimen Legationsrats Grafen von Zeppelin
mit dem Ministerialrat Peter und dem Generalkonsul Günther zusammengetroffen;