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Bismarck mit Schreiben vom 23. Januar 18731) dem Bundesrat mit dem
Antrag vor, zunächst eine aus deutschen Juristen bestehende Kommission mit
der Prüfung desselben zu beauftragen.?:)
Der politische Schwerpunkt des preußischen Elaborates lag darin, daß nach
demselben die Strafurteile erster Instanz überall unter Mitwirkung von Laien,
durch Schöffengerichte, gefällt werden sollten. Die Schöffengerichte zerfielen in
große, welche an die Stelle der Geschworenengerichte treten sollten, mittlere und
kleine. Gegen die Urteile der Schöffengerichte sollte Appellation unzulässig sein.3)
Die Erledigung dieser Materie beschäftigte den Bundesrat noch mehrere
Sessionen.
Stellung unter Polizeiaufsicht. Das deutsche Strafgesetzbuch
hatte der Landespolizeibehörde gegen verurteilte Inländer (Deutsche) folgende
Befugnisse beigelegt: 1. Nach § 38 a. a. O. kann in den durch das Gesetz
vorgesehenen Fällen neben einer Freiheitsstrafe auf die Zulässigkeit von Polizei-
aufsicht erkannt werden. Durch ein solches Erkenntnis erhält die „höhere Landes-
polizeibehörde“ die Befugnis, nach Anhörung der Gefängnisverwaltung den Ver-
urteilten auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter Polizeiaufsicht zu stellen.
2. Zufolge des § 362 a. a. O. kann ferner gegen eine nach Maßgabe des
§ 361 Nr. 3 bis 8 zur Haft verurteilte Person zugleich erkannt werden, daß
dieselbe nach verbüßter Strafe der „Landespolizeibehörde“ zu überweisen sei.
Die Landespolizeibehörde erhält hierdurch die Befugnis, die verurteilte Person
entweder bis zu zwei Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemein-
nützigen Arbeiten zu verwenden. Der Umstand, daß das Strafgesetzbuch dar-
über, welche „höhere Landespolizeibehörde“ für die Ergreifung der angegebenen
Maßregeln kompetent ist, eine Bestimmung nicht enthält, hatte bei Ausführung
jener Vorschriften zu einem verschiedenen Verfahren in den einzelnen Bundes-
staaten geführt.
Behufs einheitlicher Regelung der Praxis der verschiedenen Bundesregierungen
bei Ausführung der genannten Vorschriften wurde daher dem Bundesrat unter
dem 19. März 18724) von dem Reichskanzler eine Vorlage gemacht. Der
infolge dessen mit der Berichterstattung beauftragte Ausschuß für Justizwesen
beantragte bei dem Bundesrat: Derselbe wolle den Wunsch aussprechen, daß
die Bundesregierungen im Verhältnisse zu einander bezüglich der Stellung unter
Polizeiaufsicht und der Unterbringung eines Verurteilten in ein Arbeitshaus oder
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. Der Entwurf erschien im Druck.
Eine Analyse in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ Nr. 35 vom 11. Februar 1873
und Nr. 38 vom 14. Februar 1873.
2) Das Nähere in der „National-Zeitung“ Nr. 59 vom 5. Februar 1873.
3) Vgl. auch oben S. 131.
4) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt.