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der Verwendung desselben zu gemeinnützigen Arbeiten folgende Grundsätze an—
nehmen und zur Ausführung bringen: 1. Bezüglich solcher Personen, gegen
welche in einem Bundesstaate auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt worden
ist, kann, falls sie sich in einen andern Bundesstaat begeben, die Stellung unter
Polizei-Aufsicht auch von derjenigen Landespolizeibehörde ausgesprochen werden,
in deren Bezirk sie Aufenthalt nehmen. Jede Landespolizeibehörde, von welcher
die Stellung eines Verurteilten unter Polizeiaufsicht angeordnet wird, hat
hiervon, sofern derselbe in einem andern Bundesstaat verurteilt worden, oder
heimatsangehörig ist, oder seinen Aufenthalt hat, jeder der hierbei beteiligten
Landespolizeibehörden des andern Staates Mitteilung zu machen. 2. Die im
§ 362 Absatz 2 und 3 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich erwähnten
Befugnisse werden in allen Fällen durch die Landespolizeibehörde desjenigen
Bundesstaates ausgeübt, in welchem die Verurteilung erfolgt ist.
Seitens des Bundesrats wurde diesem Antrage in der Sitzung vom 16. Mai
1872 zugestimmt.
Seemannsordnung. Das Elaborat der infolge Bundesratsbeschlusses
vom 29. Dezember 1871 (cf. oben S. 222) gebildeten Kommission zur Beratung
einer deutschen Seemannsordnung übergab der Bundesrat zunächst den Re-
gierungen der Seeuferstaaten zur gutachtlichen Aeußerung, !) da besonders aus
den Seestädten die auf Ablehnung dringenden Stimmen immer lauter wurden.2)
In der Sitzung vom 27. November 1872 vertagte der Bundesrat die
Entscheidung der Frage, ob die Seemannsordnung in der vom Reichstag über-
wiesenen Form anzunehmen, oder ob die Vorlage in anderer Fassung nochmals
an den Reichstag gehen solle. Die Regierungen hatten ihre Beanstandung
einzelner Bestimmungen des Gesetzes in Form umfassender Denkschriften ein-
gereicht. Preußen stimmte für die Annahme des Entwurfs. Bezüglich des
Seefahrtsbuchs und der Musterrollen waren die Ausschüsse für Seewesen, Handel
und Justizwesen mit der Prüfung der Frage betraut worden, ob und in welchen
Punkten die bisherigen Bestimmungen infolge der vom Reichstage der Seemanns-
ordnung gegebenen Fassung einer Aenderung bedürften.
Bei der Abstimmung erklärten Lübeck und Hamburg, ihre Senate hätten
ihre Bedenken gegen den § 47 der Seemannsordnung (Entscheidung der Konsuln
über die Seeuntüchtigkeit der Schiffe) schon früher dargelegt und begründet, die
1) Beschäftigung des Bundesrats mit der Materie in der Sitzung vom 12. April 1872,
„National--Zeitung“ Nr. 172 vom 13. April 1872; über die Vorarbeiten der Kommission
Nr. 102 vom 1. März 1872, Nr. 116 vom 9. März 1872, Nr. 170 vom 12. April 1872,
Nr. 201 vom 1. Mai 1872, und „Norddeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 59 vom 10. März
1872, Nr. 66 vom 19. März 1872, Nr. 86 vom 13. April 1872, Nr. 87 vom 14. April 1872.
2) „National-Zeitung“ Nr. 304 vom 3. Juli 1872, Nr. 310 vom 6. Juli 1872,
Nr. 320 vom 12. Juli 1872, und „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 181 vom
6. August 1872.