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waltendes Reichsorgan für den genannten Zweck geschaffen und den einzelnen Bundes-
staaten die betreffenden Kompetenzen entzogen wissen wollten, während die anderen
die eigentliche Sorge für die Gesundheitspflege den Einzelstaaten belassen und
von Reichs wegen nur eine gewisse Oberaufsicht geübt und eine statistische Samm-
lung der auf den Gesundheitszustand innerhalb des Reichs bezüglichen That-
sachen vorgenommen wissen wollten. Die daran angeschlossene Darstellung der
Bewegung, welche sich in den letzten Jahren zu dem Zwecke, die öffentliche
Gesundheitspflege besser zu organisiren, in Deutschland geltend gemacht hatte,
teilte auch ein Gutachten der preußischen wissenschaftlichen Deputation für das
Medizinalwesen mit, welches jede Thätigkeit des Reichs in dieser Beziehung bei
der Verschiedenheit der Verwaltungseinrichtungen innerhalb der einzelnen Bundes-
staaten für unthunlich und bedenklich erklärte.
Bismarck hatte sich dieser letzteren Auffassung aber nicht angeschlossen.
Indem bereits der Artikel 4 Nr. 15 der Reichsverfassung der Beaufsichtigung
und der Gesetzgebung des Reichs die „Maßregeln der Medizinal= und Veterinär-
polizei“ übertragen hatte, wies derselbe nach Ansicht des Reichskanzlers viel-
mehr schon auf die Schaffung auch eines Zentralorgans hin, welches vermöge
seiner Sachkenntnis das Reich in den Stand setzen sollte, die Angemessenheit
der zutreffenden Maßregeln vom technischen Standpunkte aus zu beurteilen.
Zur Organisation dieser Zentralbehörde wurde also von Bismarck der Vorschlag
gemacht, dieselbe in solcher Weise zu ordnen, daß dadurch sowohl eine Zentrali-
sirung als eine weitere Ausdehnung ihrer Thätigkeit ermöglicht werde. Zu
diesem Behufe sollte dieselbe aus ordentlichen und aus außerordentlichen Mit-
gliedern gebildet werden. Die ersteren müßten in Berlin ihren Wohnsitz haben
und könnten vorerst aus einem Verwaltungsbeamten und zwei Aerzten (oder
— statt der beiden Aerzte — aus einem Arzt und einem Statistiker) bestehen.
Ihre Aufgabe würde sein, das Reich in der Ausübung der ihm zugewiesenen
Aufsicht über die medizinal= und veterinärpolizeilichen Angelegenheiten zu unter-
stützen, von den hierfür in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Einrichtungen
Kenntnis zu nehmen, die vom Reiche ausgehende Gesetzgebung vorzubereiten,
die im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege ergriffenen Maßnahmen zu
beobachten und in geeigneten Fällen den Staats= und Gemeindebehörden Aus-
kunft zu erteilen, die Entwicklung der Medizinalgesetzgebung in außerdeutschen
Ländern zu verfolgen und die Herstellung einer genügenden medizinischen Statistik
für Deutschland zu organisiren. Die außerordentlichen Mitglieder würden
aus Persönlichkeiten zu wählen sein, welche außerhalb Berlins ihren Wohnsitz
haben und aus Gemeindebeamten größerer deutscher Städte, aus Professoren
der Medizin, Staats-Medizinalbeamten und Technikern aus dem Bereiche der
Chemie und des Bauwesens bestehen könnten. Ihre Aufgabe würde sein, auf
Erfordern des Vorsitzenden sich gutachtlich über einzelne Fragen zu äußern, die
Vorgänge auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege in ihrer näheren