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Umgebung zu beobachten und darüber an den Vorsitzenden zu berichten, und
von Zeit zu Zeit sich zu gemeinsamen Beratungen in Berlin zu versammeln.
Fürst Bismarck verkannte nicht, daß die Thätigkeit, welche die Zentralbehörde
hiernach zu entwickeln haben würde, in mehrfacher Beziehung einer festen Be—
grenzung entbehrte und zumal für die erste Zeit eine mehr beobachtende als
sichtbar eingreifende sein würde. Eine andere Stellung ließ sich jedoch seiner
Ansicht nach dem gedachten Organ für jetzt überhaupt nicht zuweisen, wenn
von einem selbständigen Eingreifen des Reichs in die Verwaltung der öffent—
lichen Gesundheitspflege abgesehen werden sollte. Es werde vieles, wenn nicht
alles, auf die Wahl der geeigneten Persönlichkeiten für die Zentralbehörde an—
kommen. Wenn es jedoch gelingen sollte, in dieser Beziehung die rechte Wahl
zu treffen, so dürfe erwartet werden, daß das Reich auch auf diesem Gebiet im
stande sein werde, eine gedeihliche Wirksamkeit zu entfalten. Im Falle des Ein-
verständnisses des Bundesrats würden die durch die vorgeschlagene Einrichtung
erwachsenden Kosten vorläufig bis zu deren Etatisirung auf den Dispositions-
fonds des Reichskanzler-Amts übernommen werden können.
Die Beschlußfassung über diesen Antrag Bismarcks, für den er sich wäh-
rend des kurzen Aufenthalts in Berlin aus Anlaß der Dreikaiserzusammenkunft
persönlich interessirte, fällt in die nächste Session des Bundesrats. Referent in
der Angelegenheit war der Ministerresident Dr. Krüger.
4. Zoll- und Steuerwesen.
Brausteuergesetz. Ueber den in der vorigen Session dem Bundesrat
vorgelegten Gesetzentwurf wegen Erhebung der Brausteuer im Deutschen Reich
erstattete der Ausschuß am 1. April 1872 seinen Bericht, 1) indem er gleichzeitig
den aus der Beratung hervorgegangenen, mehrfach modifizirten Entwurf dem
Bundesrat zur Beschlußfassung vorlegte. In der Bundesratssitzung vom 6. April
1872 wurde derselbe auf den Vortrag des Finanzrats Dr. Heerwart nach den
Anträgen des Ausschusses angenommen. Zu umfassenden Erörterungen führte
eigentlich nur die Bestimmung in dem letzten Paragraphen (40), wonach in
den Herzogtümern Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg und Gotha von
dem Zentner Malzschrot derjenige Betrag, um welchen die dort damals gesetzlich
bestehende Brausteuer vom Malzschrot den Satz von 20 Silbergroschen über-
stieg, bis auf weiteres für private Rechnung der genannten Bundesstaaten fort-
erhoben werden sollte. Die Aufrechterhaltung der Bestimmung wurde ganz
besonders von dem gothaischen Bevollmächtigten durch Hinweis auf ihre recht-
liche Basis wie auf die Billigkeitsrücksicht verteidigt, so daß schließlich die An-
1) Abgedruckt findet sich der Bericht in dem in der Reichstagsbibliothek aufbewahrten
Exemplar der Bundesratsverhandlungen über Zoll= und Steuersachen (Nr. 35 der Druck-
sachen, Session 1872).