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Schon in den Ausschüssen gingen die Ansichten weit aus einander. Die
eine Ansicht erachtete die Lösung der Auseinandersetzungsfrage für im Prinzip
bereits durch die Reichsverfassung gegeben. Durch den Uebergang der Ver—
waltungen auf das Reich — so deduzirte man — seien die Bundesstaaten
in eine Gemeinschaft der bezüglichen Hoheitsrechte getreten, und insofern die
Hoheitsrechte zugleich einen privatrechtlichen Gehalt haben und namentlich das
Eigentum an den zur Ausübung bestimmten Sachen mit umschließen, sei das
Reich in dieses Eigentum in gleicher Weise succedirt, wie es als dominus
negotii in alle zur kritischen Zeit vorgefundenen Kontraktsverhältnisse der einzel-
staatlichen Verwaltungen ohne weiteres eingetreten sei. Es sei auch selbst—
verständlich, daß das Reich die auf dasselbe übergegangenen Verwaltungen nicht
ohne eine zu ihrem Betriebe erforderliche Ausrüstung habe übernehmen können.
Bei der Uebertragung der Verwaltungen müsse daher subintelligirt gewesen sein,
auf das Reich als notwendige Ausstattungen diejenigen Gegenstände mit über—
gehen zu lassen, welche zur Zeit jener Uebertragung dem Dienste der betreffenden
Verwaltungen gewidmet gewesen seien. Rücksichtlich der Mobilien sei dieser
Gedanke sofort zur thatsächlichen Herrschaft gelangt. Man habe von Anfang
an dieselben als in das Eigentum des Reichs übergegangen betrachtet. In
Ansehung der Immobilien dagegen sei zwar die Frage bisher eine schwebende
geblieben und man habe vorläufig dieselben als nach wie vor im Eigentum
der Bundesstaaten befindlich angesehen. Es liege aber kein zureichender Grund
vor, diese Gegenstände einer andern Beurteilung zu unterwerfen als die Mobilien,
und es sei nur eine Konsequenz, die man aus den in den Motiven des Gesetz-
entwurfs hervorgehobenen Verfassungsbestimmungen ziehe, wenn man bei der
nun immer unabweisbarer werdenden Notwendigkeit einer endgiltigen Regelung
der Verhältnisse auch für die Immobilien jenen Gedanken aufgreife und zum
Gesetz erhebe. Das zu erlassende Gesetz lasse sich daher gewissermaßen als ein
Vollzugsgesetz zu den erwähnten Verfassungsbestimmungen auffassen.
Von anderer Seite wurde nicht anerkannt, daß aus der Reichsverfassung
ein Argument zu entlehnen sei, um das Eigentum an den den Bundesstaaten
gehörigen Gegenständen, welche den auf das Reich übergegangenen Verwal-
tungen dienstbar gewesen und geblieben seien, für das Reich in Anspruch zu
nehmen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Verfassung über diese Frage
keinerlei Bestimmung enthalte, daß vielmehr in Konventionen das Eigentum an
den Immobilien den betreffenden Bundesstaaten ausdrücklich vorbehalten worden
sei, und wenn da, wo es an solchen Konventionen fehlt, von den Bundes-
staaten die den Verwaltungen gewidmet gewesenen Gegenstände diesen Verwal-
tungen auch nach deren Uebergang auf das Reich belassen worden sind, so
wurde der hierdurch begründete Zustand als ein rein faktischer bezeichnet, der
keine rechtlichen Konsequenzen zulasse. Demzufolge erachtete man als den korrekten
Weg, auf welchem eine Uebertragung des Eigentums an das Reich würde statt-