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sein, und insoweit sei diese Auffassung der in den Motiven zur Präsidial-
vorlage ausgesprochenen Ansicht verwandt, welche die Immobilien gewissermaßen
als eiserne Wertbestände bezeichne. Dem Umfange nach müsse dieses Gebrauchs-
recht nach der Natur der Sache umfassender sein als — wenn man eine Ana-
logie aus dem Zivilrechte anziehen wolle — das des Zeitpächters oder des
zeitweiligen Nutznießers, und werde daher die Vornahme von Veränderungen,
welche durch die Verwaltungszwecke geboten seien, als in dem Rechte mit in-
begriffen angesehen werden dürfen.
Diese letzte Ansicht lag einem von der sächsischen Regierung dem Entwurf
der Reichsregierung gegenübergestellten Gegenvorschlage zu Grunde, welcher in-
dessen von dem Standpunkte des Interesses des Reichs für entschieden unan-
nehmbar erklärt wurde. Es wurde nachdrücklich betont, daß den Bedürfnissen
des Reichs in anderer Weise als durch Eigentumsüberlassung überhaupt nicht
Rechnung getragen werden könne. Wenn über Grundstücke verfügt werden
solle, müsse andernfalls das Reich erst an den Bundesstaat als Eigentümer sich
wenden, um dessen Assistenz zu gewinnen, die betreffende Regierung aber in
dem Gehör ihrer Landesvertretung Deckung suchen, und so würde sich be-
ziehentlich die Notwendigkeit eines Zusammenwirkens von vier Faktoren, der
Reichsregierung, des Reichstags, der Landesregierung und der Landesvertretung,
ergeben.
Durch das Anerkenntnis seitens der Ausschußmehrheit für das Bedürfnis
der Ordnung der betreffenden Angelegenheit im Wege der Reichsgesetzgebung
wurde auch ein von dem Bevollmächtigten für Mecklenburg gestellter Antrag,
§ 1 des Gesetzes so zu fassen: „Alle Bundesstaaten vereinbaren sich dahin,
das Eigentum rc. dem Reiche vertragsmäßig zu überweisen 2c.“ erledigt.
Die Frage gelangte erst in der nächsten Session des Bundesrats zur Ent-
scheidung.
11. Elsaß-sothringische Angelegenheiten.
1. Veräußerung der Tabakmanufaktur in Straßburg. Im
Oktober 1872 beantragte der Reichskanzler die Zustimmung des Bundesrats
zu dieser Maßregel. 1) Am 17. Dezember desselben Jahres soll sich Fürst
Bismarck dahin ausgesprochen haben, daß er, ungeachtet der Bundesrat seine
Zustimmung zur Ueberlassung des Tabakmonopols an eine Gesellschaft erteilt,
die betreffenden Verkaufspropositionen zurückziehe. Es geschehe dies in Rücksicht
auf die Mißstimmung, welche sich in den Abgeordnetenkreisen gegen die Um-
wandlung von Industrie-Etablissements in Aktiengesellschaften kundgebe. Bismarck
beabsichtigte, die Tabakmanufaktur anderweitig auszunutzen.
1) „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 251 vom 27. Oktober 1872.