Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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strafen. Den Nationalliberalen habe ich immer gesagt, daß ich die Sache vom 
Standpunkte des Jägers betrachte: wenn ich einen Kirreplatz anlegen will, schieße 
ich nicht gleich die erste Ricke weg, sondern warte, bis das Rudel die Fütterung 
angenommen hat. 
Die Möglichkeit eines Krieges anlangend, so ist der Norddeutsche Bund 
eine Macht, welche einer jeden gewachsen ist. Für Süddeutschland liegt die 
Sache so, welchen Alliirten es sich wählen will; Oesterreich kann es nicht sein, 
wir hätten nichts dagegen, aber Oesterreich will entschieden nicht, und Frankreich 
wird Süddeutschland weniger Schutz gewähren als der Norddeutsche Bund. 
Thüngen hat zu mir gesagt, Bayern sei schlecht daran, zwischen Oesterreich und 
Frankreich eingeklemmt, ich habe ihn gefragt, ob er glaube, daß Bayern besser 
daran wäre, zwischen Preußen und Frankreich eingeklemmt. 
Am 2. März 1869 erschien in Zürich Arkolays Broschüre: „Der An- 
schluß Süddeutschlands an die Staaten der preußischen Hegemonie, sein sicherer 
Untergang bei einem französisch-deutschen Kriege“. Darauf antwortete Suckow 
durch eine Schrift: „Wo Süddeutschland Schutz für sein Dasein findet“, ohne 
sich als Verfasser zu nennen. 
Es war darin eingehend dargethan, daß Frankreich für sich allein einen 
Krieg mit Deutschland nicht zu führen vermöge und der Versuch dazu die 
deutschen Heere nach Paris führen wird, daß die Bürgschaft des Friedens einzig 
und allein in der Einigkeit der deutschen Nation beruht und die Kriegsgefahr 
in der Hoffnung auf den Abfall Süddeutschlands von der nationalen Sache 
liegt, daß dessen Neutralität in dem Krieg zwischen Deutschland und Frankreich 
ein Wahn ist oder eine Lüge zur Verdeckung des Bündnisses mit dem Ausland, 
und daß die Folge solcher Neutralität die Verheerung Süddeutschlands durch 
den Krieg und der Untergang der süddeutschen Staaten wäre. 
General v. Moltke, welchem der Verfasser diese Arbeit einsandte, schrieb 
am 23. April nachstehenden Brief an Suckow: 
Hochgeehrter Herr Oberst! 
„Es ist leicht, sich zum Wortführer der augenblicklich herrschenden öffentlichen 
Meinung zu machen, schwer und verdienstvoll aber, die Wahrheit offen zu 
sagen, wo sie den Fels bildet, gegen welchen diese stets schwankende Strömung 
gerade anbrauset. Ich habe mit dem regsten Interesse Ihre vortreffliche Schrift 
gelesen, welche ebenso gründlich wie klar und gewandt mit einer unerbittlichen 
Logik zum allein richtigen Resultat führt. Die Schwierigkeit Ihrer persönlichen 
Stellung erhöht das Verdienst Ihrer Arbeit, denn den Verfasser wird man 
es ungue leonem bald heraus erkennen. Ich glaube nicht, daß die Schrift 
alsbald einen Wechsel in der Politik Süddeutschlands bewirken wird, Meinungen 
müssen erst Wurzel fassen und Früchte tragen, aber die in so überzeugender 
Form dargelegte Wahrheit kann nicht ohne Einfluß bleiben.
	        
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