Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Ich begegnete ihm gestern draußen am Graben und habe ihn gefragt, was er 
da suche; er erwiderte: Eine Wohnung und kann keine finden.“ — Ich: „Er 
hat die Freude, jetzt seine Familie hieher zu bekommen.“ — Sie: „Ja, das 
freute mich sehr für ihn. Aber er soll doch ja eine sonnige Wohnung nehmen; 
es ist so viel wert, wenn man eine sonnige Wohnung hat.“ — Mit dem badischen 
Kommissar sprach sie von der Prinzenschule in Karlsruhe: „So sollte man alle 
Prinzen erziehen!“ — Der König fragte nach Varnbüler, nach unseren Wahlen, 
sprach dann von der Schönheit unseres Landes, von Frau v. Spitzemberg und 
deren Schwestern, v. Hohenheim, dann über Obernitz. Er meinte auch, es 
sei eigentlich komisch, daß unsere Minister 1) als Abgeordnete zum Zollparlament 
gleichsam unter uns?) zu sitzen kämen; das werde aber das Einholen von 
Instruktionen erleichtern. Der König ist sehr leutselig, freundlich und außer- 
ordentlich rüstig. 
Nun weiter zum Diner bei Graf Bismarck (12. März), welches jedenfalls 
die interessanteste Partie in meiner ganzen seitherigen auswärtigen Praxis 
war. Der Graf hatte den Prinzen Napoleon und sodann je einen Ver- 
treter der sämtlichen deutschen Regierungen eingeladen. Außerdem waren die 
preußischen Minister und die obersten Bundesbeamten, der englische Botschafter 
Lord Loftus und die Beamten der französischen Botschaft anwesend. „Benedetti 
ist mir unwohl geworden, es hat ihn etwas geärgert, ich thue ihm aber nicht 
den Gefallen, es zu merken, da muß er schon deutlicher werden,“ — erzählte 
Bismarck, als wir kaum zu Tische saßen, — ich ihm zur Linken und dem 
Prinzen vis-à-vis. Ich erschrak zuerst sehr, als mir gleich beim Kommen 
gesagt wurde, welches mein Platz sein werde; indessen es ließ sich nicht ändern. 
„Ich habe heute das Amt der Ceres verwaltet,“ begann der Graf zu mir, „ich 
habe auf meinen Reisen einen Kohl kennen gelernt, der sehr hohe Stengel treibt, 
von dem habe ich jetzt Samen kommen lassen, bin heute bei verschiedenen Gärtnern 
vorgeritten und habe sie bestimmt, Versuche zu machen.“ Er erzählte mir dann 
über die Provinz Sachsen, welche Teile fruchtbar, welche schweren Boden haben, 
und kam auf Naumburg zu sprechen. Als ich bemerkte: dies habe mich immer 
an Eßlingen erinnert, fand er es richtig, nur sei es bei uns schöner. Er wußte 
— im Gegensatz zu dem Minister der Landwirtschaft, welcher mich fragte, ob 
wir viel Weinbau haben, — sehr genau Bescheid über unsere agrarischen Ver- 
hältnisse, über die oberschwäbischen Höfe, das dort herrschende Vereinödungs- 
system, sprach davon, daß, während in Norddeutschland das Volk im Kampf 
mit feindlichen Elementen und Nachbarn habe müssen gehorchen lernen, auch 
durch die Mischung des deutschen mit fremdem Blute fügsamer geworden sei, 
in Süddeutschland der deutsche Charakter seine volle Reinheit bewahrt habe. 
1) Freiherr v. Varnbüler und Mittnacht. 
2) Den Bevollmächtigten zum Bundesrat.
	        
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