Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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habe er zu beantragen: Den Ausschuß für Justizwesen zu ersuchen, über die 
Einsetzung einer solchen Kommission und über die sonst zur Aufstellung des 
Entwurfes eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu treffenden Einleitungen 
baldthunlichst Vorschläge zu machen. 
Der Bundesrat beschloß demgemäß. 
Die „National-Zeitung“ bemerkte zu diesem Beschlusse des Bundesrats: 
Lange und ernst fortgesetzte Bemühungen haben damit endlich den ersehnten 
Erfolg davongetragen und für die Entwicklung der nationalen Rechtseinheit, 
dieses Grund= und Ecksteins für die Befestigung der staatlichen Zusammenfassung 
unseres Volkes, sind nun die Wege geebnet. Wer sich der nun sechsjährigen 
Bemühungen um eine deutsche Zivilprozeßordnung erinnert, deren Ausarbeitung 
Kompetenzschranken nicht im Wege standen, wird freilich sich vor der Illusion 
hüten müssen, als wären von dem gestrigen Bundesratsbeschlusse bis zur Ema- 
nation eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs nur wenige kurze Schritte zurück- 
zulegen. Es wird im Gegenteil noch starker Geduld und großer Ausdauer be- 
dürfen, bevor wir in den Besitz der gewünschten Einheit auch nur auf den 
wesentlichen Gebieten des bürgerlichen Rechts gelangt sein werden. Aber der 
errungene Erfolg ist eine Gewähr auch für den erst noch zu erreichenden und 
er muß den Mut in allen nationalen Kreisen so stärken, daß wir uns der 
Hoffnung hingeben dürfen, trotz der großen Schwierigkeiten, welche dem Werke 
entgegenstehen, in verhältnismäßig kurzer Frist zu einem einheitlichen Recht im 
Deutschen Reiche zu gelangen. Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 
(Reichs-Gesetzbl. S. 195). 
Beseitigung der öffentlichen Häuser. Seitens Hamburger Bürger 
war an das Reichskanzler-Amt der auf die Gutachten zahlreicher deutscher 
Juristenfakultäten gestützte Antrag gerichtet worden, die hamburgische Regierung 
zur Beseitigung der öffentlichen Häuser aufzufordern. Das Reichskanzler-Amt 
hatte im Hinblick auf die strikte Vorschrift des § 180 des Reichs-Strafgesetz- 
buchs diesem Antrag entsprechen zu sollen geglaubt und demgemäß den Senat 
der freien Stadt Hamburg ersucht, wegen Aufhebung der öffentlichen Häuser 
das Geeignete zu verfügen. Derselbe lehnte es indessen unter dem 12. Mai 
1873 ab, diesem Ersuchen Folge zu geben, weil nach seiner, von dem dortigen 
Obergerichte sowie von anderen deutschen Juristenfakultäten geteilten Rechts- 
auffassung die konzessionirten öffentlichen Häuser durch § 180 des Reichs- 
Strafgesetzbuchs nicht betroffen werden. Zur Beseitigung der hiernach obwaltenden 
Meinungssterschiedenheit überwies der Bundesrat in seiner Sitzung vom 31. Mai 
1873 die Angelegenheit dem sechsten Ausschusse zur Berichterstattung. 1) 
1) Auch die Erledigung dieser Angelegenheit fällt in die nächste Session des Bundesrats. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 23
	        
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