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beratung durch eine besondere, aus acht angesehenen Juristen und drei angesehenen
Vertretern des Handelsstandes bestehenden Kommission unterzogen werden, deren
Mitglieder der Justizausschuß dem Bundesrat zur Genehmigung vorzuschlagen
haben würde. Die Kommission soll zur Erledigung ihres Auftrages im Laufe
des Monats März 1874 in Berlin zusammentreten. Der Vorsitzende derselben
würde aus dem Kreise der Mitglieder vom Reichskanzler zu ernennen sein,
während die Ernennung des Berichterstatters auf den Vorschlag des Vorsitzen-
den durch Vereinbarung oder in Ermanglung einer solchen durch Abstimmung
innerhalb der Kommission zu erfolgen haben würde. Jedes Mitglied soll eine
Stimme haben, bei Stimmengleichheit das Votum des Vorsitzenden den Aus-
schlag geben. Der Kommission selbst soll die Bestimmung ihrer Geschäfts-
ordnung überlassen bleiben und deren Gutachten wieder an den Reichskanzler
gehen. Die Kosten einschließlich der Reisekosten und Diäten der Mitglieder
sowie zweier vom Reichskanzler zu ernennenden Schriftführer sollen auf die
Reichskasse übernommen werden.
Auch die Erledigung dieser Materie zog sich bis in das Jahr 1875 hinaus. 1)
Organisation der öffentlichen Gesundheitspflege. Wie er-
innerlich, hatte der Reichstag auf Veranlassung mehrerer auf die Organisation
der öffentlichen Gesundheitspflege bezüglichen Petitionen seinerzeit beschlossen, die-
selben dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen mit dem Ersuchen,
dem Reichstag einen Gesetzentwurf, betreffend die Verwaltungsorganisation der
öffentlichen Gesundheitspflege im Deutschen Reich, vorzulegen. In Veranlassung
dieser Beschlüsse hatte der Reichskanzler seine Auffassung über die darin berührte
Angelegenheit in einem ausführlich motivirten Antrag dem Bundesrat zu weiterer
Beschlußfassung unterbreitet. Dieser Antrag, über den wir seinerzeit eingehend
berichteten (ef. S. 302), ging im wesentlichen von dem Gedanken aus, daß
ein unmittelbares Eintreten des Reichs in die Verwaltung der Gesundheits-
pflege für zweckmäßig nicht erachtet werden könne, woraus indessen nicht folge,
daß das Reich sich jeder Einwirkung auf diese Angelegenheit zu enthalten habe.
Der Ausschuß für Handel und Verkehr, dem die Prüfung der Vorlage des
Reichskanzlers zufiel, vereinigte sich nunmehr zu folgendem Antrag: Der Bundes-
rat wolle sich damit einverstanden erklären, daß 1. zur Wahrnehmung der
gemeinsamen Interessen der Bundesstaaten des Deutschen Reichs auf dem Ge-
biete der Medizinal= und Veterinärpolizei nach Maßgabe des Artikels IV Ziffer 15
der Reichsverfassung ein dem Reichskanzler-Amt unmittelbar untergeordnetes
Organ mit lediglich beratendem Charakter errichtet werde, dabei jedoch 2. für
die Vorberatung besonders wichtiger Maßregeln die Einberufung von Sach-
verständigen aus den Bundesstaaten vorbehalten bleibe. Ferner glaubte der
1) Bundesratsbeschluß zur Ausführung des § 28 der Seemannsordnung s. „Nord-
deutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 49 vom 27. Februar 1873.