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Ausschuß dem Bundesrat anheimstellen zu sollen, zur Vorberatung einer medi-
zinischen Statistik schon jetzt die Bundesregierungen zu einer Aeußerung darüber
zu veranlassen: 1. Welche Einrichtungen behufs Herstellung einer medizinischen
Statistik in ihren Gebieten bestehen? 2. In welchem Umfang eine gemeinsame
Statistik, die das gemeinsame Interesse der Bundesstaaten als Ziel vor Augen
habe, anzustreben sei? 3. Inwieweit von den einzelnen Bundesregierungen zur
Beschaffung des Materials für eine solche Statistik mitgewirkt werden könne?
Der vorstehende Ausschußbericht des hanseatischen Gesandten Dr. Krüger,
auf welchen hin der Bundesrat am 30. Juni 1873 die Einsetzung eines
Reichs-Gesundheitsamts beschloß, läßt ahnen, welchen Schwierigkeiten
jene Organisation innerhalb des Reichs begegnete. Man teilte darüber dem
„Hannoverischen Kurier“ mit: Der Partikularismus sträubte sich zäh, in die
Einsetzung eines besonderen neuen Reichsamts zur Ausführung von Artikel IV
Ziffer 15 der Reichsverfassung zu willigen. Praktische Aufgaben auf dem
Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege wollte er dem Reich für gewöhnlich
gar nicht zugestehen, und die Medizinalstatistik 1) sah er als Sache des Kaiser-
lichen Statistischen Amts an, nicht einer besonderen Behörde. Sollten praktische
Fragen, gleich wie früher die Rinderpest und jetzt die Cholera, ein Eingreifen
von seiten des Reichs erheischen, so könne man dafür, wie in jenen beiden
Präzedenzfällen, Spezialkommissionen von Fachmännern einberufen. Gegen diese
Opposition ist nun zwar der Vorschlag des Reichskanzlers siegreich durch-
gedrungen, aber nicht ohne einige Zugeständnisse. Nicht als selbständige Be-
hörde, sondern dem Reichskanzler-Amt untergeordnet wird das Gesundheitsamt
ins Leben treten, und neben ihm sollen auch fernerhin vorkommenden Falls
Fachkommissionen berufen werden. Der extremste Partikularismus wollte einer
solchen Fachkommission sogar die Art der Zusammensetzung des neuen Reichs-
organs überweisen, nachdem der Reichskanzler hierfür bereits bestimmte Vor-
schläge gemacht hatte. Allein die Mehrheit wollte ein derartiges Mißtrauens-
votum doch nicht abgeben und erwartete neue Vorschläge auf Grund ihrer
Beschlüsse vom Reichskanzler.
Impfzwang. Nachdem durch Beschluß des Reichstags mehrere den
Impfzwang betreffende Petitionen dem Reichskanzler überwiesen worden waren
mit dem Ersuchen, für baldige einheitliche gesetzliche Regelung des Impfwesens für
das Deutsche Reich auf Grundlage des Vaccinations= und Revaccinations-=
1) Zur Vorbereitung einer medizinischen Statistik waren seitens des Bundes-
rats die Bundesregierungen zu einer Aeußerung darüber veranlaßt worden: 1. Welche
Einrichtungen behufs Herstellung einer medizinischen Statistik in ihren Gebieten bestehen?
2. In welchem Umfang eine medizinische Statistik, die das gemeinsame Interesse der Bundes-
staaten als Ziel vor Augen habe, anzustreben sei? 3. Inwieweit von den einzelnen Bundes-
regierungen zur Beschaffung des Materials für eine solche Statistik mitgewirkt werden könne?