Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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gewährt. Die Bundesregierungen werden ersucht, den Untersuchungsplan 
seinerzeit auf Veranlassung des Reichskanzler-Amts den ihnen untergebenen 
Medizinalbeamten und Aerzten mit den entsprechenden Anordnungen mitzuteilen 
und sodann die erstatteten Berichte und Erhebungsresultate dem Reichskanzler- 
Amt zur Uebermittlung an die Kommission zu übersenden.“ 
Der Bundesrat trat diesen Anträgen bei.!) 
Preßgesetz. In der Frühjahrssession des Reichstags wurde ein daselbst 
als Initiativantrag des Reichstags eingebrachtes Preßgesetz beraten; der Bundes- 
rat beschloß, sich bei den Verhandlungen der Preßgesetzkommission kommissarisch 
vertreten zu lassen. 
Ins eigentliche Fahrwasser gelangte die Frage jedoch erst durch den von 
der preußischen Regierung am 29. April 1873 dem Bundesrat vorgelegten 
Entwurf eines Reichs-Preßgesetzes. 2) Derselbe hatte zwar die spezifisch preußischen 
Eigentümlichkeiten des Zeitungsstempels und der Kautionsstellung nicht mit auf- 
genommen, wohl aber wesentlich unverändert die polizeilichen Konfiskationen 
und hatte außerdem die Haftpflicht des Redakteurs noch verschärft. Am meisten 
Aufregung verursachte in der Presse 3) der § 20, der also lautete: „Wer in einer 
Druckschrift die Familie, das Eigentum, die allgemeine Wehrpflicht oder sonstige 
Grundlagen der staatlichen Ordnung in einer die Sittlichkeit, den Rechtssinn 
oder die Vaterlandsliebe untergrabenden Weise angreift, oder Handlungen, 
welche das Gesetz als strafbar bezeichnet, als nachahmungswert, verdienstlich 
oder pflichtmäßig darstellt, oder Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft in einer 
1) Nach dem vom Bundesrat in der Sitzung vom 22. Juni 1873 gefaßten Beschlusse 
bestand die Reichs-Cholerakommission aus folgenden Mitgliedern: dem Königlich preußischen 
Generalarzt des 2. Armeecorps Dr. Böger (Berlin, Leibarzt des Kaisers), Professor 
Dr. Hirsch (Berlin), dem Ober-Medizinalrat Professor Dr. v. Pettenkofer (München), dem 
Königlich sächsischen Medizinalrat Dr. Günther (Zwickau) und dem Großherzoglich badischen 
Ober-Medizinalrat Dr. Volz (Karlsruhe). Ernennung Pettenkofers zum Vorsitzenden der 
Kommission durch den Kanzler, „National-Zeitung“ Nr. 324 vom 15. Juli 1873. Anträge 
des Bundesrats-Ausschusses für Handel und Verkehr in der Rinderpestangelegenheit finden 
sich abgedruckt in der „National-Zeitung“ Nr. 119 und 121 vom 12. und 13. März 1873 
und der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ Nr. 60 vom 12. März 1873. Ausschuß- 
anträge in Sachen der Desinfektion von Viehtransportwagen, „National-Zeitung“ Nr. 214 
vom 9. Mai 1873. 
2) Inhalt s. „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 128 vom 5. Juni 1873, Wort- 
laut in der Nr. 130 vom 7. Juni 1873. Ueber die Vaterschaft desselben Nr. 296 vom 
28. Juni 1873. 
3) Vgl. die „National-Zeitung“ Nr. 263 vom 10. Juni 1873. Die sämtlichen 
Berliner Blätter (mit Ausnahme der offiziösen und der „Kreuz-Zeitung“) erließen gegen 
den Entwurf eine energische Erklärung, der sich eine lange Reihe anderer preußischen und 
nicht-preußischen Blätter anschlossen. Vgl. auch die „National-Zeitung“ Nr. 269 vom 
13. Juni 1873.
	        
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