Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 29 — 
dem Manne anhangen. So kam das Gespräch endlich auf Spitzembergs; er 
kennt ihn durch ein dreijähriges Zusammenleben in Petersburg und lobt ihn 
sehr; sie schätzen er und seine ganze Familie hoch: „am meisten hat mir's aber 
der Kleine 1) angethan." 
Dies war so ungefähr die Unterhaltung und glaube ich nichts Wesentliches 
vergessen zu haben. Daß daneben nicht viel mehr für meinen andern Tisch- 
nachbar abfiel, den schon erwähnten Minister der landwirischaftlichen Angelegen- 
heiten, Herrn v. Selchow, wirst Du erllärlich finden. Doch konnte ich ihm 
immerhin von unseren Domänen, unseren Waldungen, den verschiedenen Rich- 
tungen unserer Pferdezucht, von Hohenheim u. s. w. erzählen. 
Mein vis-à-vis saß ziemlich kalt da, sprach auffallend wenig mit der 
Gräfin Bismarck und hörte den Ausführungen des bayerischen Staatsrats Weber 
ziemlich gleichgiltig zu. 
Während des Diners korrespondirte Frau v. Bismarck mit ihrem Manne 
mit Hilfe eines Taschenkalenders. 
Nach dem Diner wurde einer nach dem andern dem Prinzen Napoleon 
vorgestellt. Ich wurde gefragt, seit wann ich von Hause weg sei, ob Varn— 
büler wohl hierher komme, wie unsere Wahlen ausfallen werden, sprach dann 
einiges über die unter dem Vorsitze von Monseigneur geführten Verhandlungen 
wegen eines europäischen Münzsystems. Nachher kam Bismarck und sagte mir 
ins Ohr: „Er soll ja einmal mit Varnbüler los gewesen sein, ich muß ihn 
doch fragen, ob er etwas abgekriegt hat“ (das Duell ist seinerzeit nicht zu 
stande gekommen aus Gründen, welche dem Prinzen nicht gerade zur Ehre 
gereichen). — Es wurden Cigarren herumgegeben. Von der obersten Schicht 
trug jede einen Buchstaben des Namens Bismarck. — Die Gräfin ist eine sehr 
lebhafte Frau, mit der recht gut Konversation zu führen ist. Während sie mit 
mir sprach, kam Plon-Plon, streckte die Hand hin und sagte langsam: „Adieu, 
Madame.“ Die Frau Gräfin verschwand fast in einem unendlichen Knicks. 
Man fühlte sich erleichtert, als der fremde Gast fort war. Es thut einem 
wahrhaft weh, daß der Mensch württembergisches Blut in den Adern hat. Den 
Humor hat er wohl gefühlt, daß man ihm gewissermaßen ganz Deutschland 
gegenüber gesetzt hat. 
Noch habe ich mit den Ministern v. d. Heydt und Mühler gesprochen. 
Bei Delbrück bohrte ich wegen der Schweiz an und erfuhr zu meiner Freude, 
daß die im Jahre 1865 abgebrochenen Verhandlungen wegen des Handels- 
vertrags wieder aufgenommen werden sollen. 
Meine Arbeit wächst von Tag zu Tag und der Besuch der Theater mußte 
bereits aufhören. 
« * 
1) Der erstgeborene Sohn Karl, ein liebenswürdiger Knabe, dessen früher, schneller 
Tod am 22. Januar 1869 allgemein betrauert wurde.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.