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verloren gegangen. Ich bin nicht der einzige, dem es so geht, und die wenigen,
welche sie ziehen ließen, haben dies nicht gerade als besonders schmeichelhaft für
sich anzusehen.
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Berlin, den 10. April 1868.
Hier geht man auf eine ganz rücksichtslose Weise mit uns um, disponirt
über unsere Zeit und unsere Arbeitskraft, wie wenn wir königlich preußische
Beamte wären, und thut schließlich doch, was man will.
Berlin, den 20. April 1868.
Reibereien und Plänkeleien finden fortwährend statt, und muß ich neben
dem, daß ich vorzugsweise durch Arbeiten in Anspruch genommen bin, fort-
gesetzt die Opposition machen. Ein mir ganz fremder Zug.
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Berlin, den 24. April 1868.
Auch ich habe einen schweren, heißen Tag hinter mir und stand gestern
vorn im Treffen. Ich hatte die gemeinsame Sache Süddeutschlands gegen Preußen
in der Tabaksteuerfrage zu vertreten, was mich schon lange umgetrieben hat;
so legte ich denn gestern los, als sich die Gelegenheit bot. Delbrück erwiderte
nicht unfreundlich, und was folgte, war eine große Ueberstimmung Preußens in
einer wichtigen Frage.
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Berlin, den 29. April 1868.
Das Geschäft ist die beste Zerstreuung, wenn es nicht gar zu dick kommt.
Das empfinde auch ich. Die letzten Tage über gab es aber für uns manche
Zerstreuung auch anderer Art. Freitag früh traf Bitzer ein, den ich herum—
zuführen hatte; Samstag abend holte ich Linden am Bahnhofe ab, leistete ihm
dann Gesellschaft und geleitete ihn am andern Morgen auf einem Spaziergang
und abends an das Theater. Ich selbst mußte arbeiten. Den Tag über kamen
einige Württemberger zu mir; erst Ramm, der in meinem Hotel wohnt, dann
Schäffle, Deffner, Dörtenbach, Knosp; erstere beide als wütende Preußenfresser.
Auch Staatsrat Mittnacht traf ein, jedoch ohne nach mir zu sehen. Von Darm-
stadt ist mein Freund Fabricius hier. Der Montag war ein schöner sonniger
Tag. Nachdem ich den Morgen mit Thümmel gearbeitet, fuhr ich gegen 12 Uhr
mit Bitzer, Ramm und Sintenis im vollsten Ornate, weißen Beinkleidern u. s. w.
in die Schloßkapelle. Ich saß hinter Bismarck, der heute als Kürassier gekleidet
war und alle anderen um einen Kopf überragte. Die königliche Familie gerade
vor uns. Drei Geistliche funktionirten. Der Gottesdienst hat viel vom katho-
lischen Ritus. Brennende Kerzen, das Antworten des Chors. Nicht weniger
als dreierlei Bibelstellen wurden verlesen: die Epistel des vorangegangenen Sonn-
tags, sodann, ob vielleicht gerade die Losung für den heutigen Tag? die Rede
vom guten Hirten, endlich der Text für die Predigt Hoffmanns. Eigentümlich
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 3