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teiligung an der deutschen Verfassung und in den Genuß der darauf begrün—
deten politischen Rechte eintreten.
Auch nach Einführung der Verfassung und bis zu anderweiter gesetzlicher
Regelung sollte der Kaiser unter Zustimmung des Bundesrats,
während der Reichstag nicht versammelt ist, Verordnungen mit gesetzlicher Kraft
erlassen können. „Dieselben dürfen nichts bestimmen, was der Verfassung oder
den in Elsaß-Lothringen geltenden Reichsgesetzen zuwider ist, und sich nicht auf
solche Angelegenheiten beziehen, in welchen die Zustimmung des Reichstags
erforderlich ist. Solche Verordnungen sind dem Reichstage bei dessen nächstem
Zusammentritt zur Genehmigung vorzulegen. Sie treten außer Kraft, sobald
die Genehmigung versagt wird.“!)
In einer Reichstagsrede vom 16. Juni 1873 verwahrte sich Bismarck
dagegen, daß der Kaiser von dem Recht, in Elsaß-Lothringen Verordnungen
mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassen, in der Weise Gebrauch machen
könnte, daß der Bundesrat eine ihm bekannte gegenteilige Ansicht des Reichs-
tags zur Geltung bringen würde.
Noch einmal hatte der Reichstag die Entscheidung über die Publikation
dieses Gesetzes in die Hände des Bundesrats zurückgelegt, indem er den Ent-
wurf nur mit einer Veränderung bezüglich des Wahlrechtes der Scheinoptanten
genehmigte. Auch über diesen Punkt ging der Bundesrat hinweg. Gesetz vom
25. Juni 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 161).
Durch die Bestimmung des § 6 dieses Gesetzes war die vorläufige Ab-
grenzung der für die Reichstagswahlen in Elsaß-Lothringen zu bildenden Wahl-
kreise dem Bundesrate vorbehalten. Der Reichskanzler legte auf Grund dessen
dem Bundesrat unterm 18. Oktober 18732) den Entwurf einer Bekannt-
machung zur Beschlußnahme vor, welcher die gedachte Abgrenzung in 15 Wahl-
kreise enthält.
Elsaß-lothringische Vorlagen. Das Arbeitsfeld des Bundesrats
war in dieser Session, wie ein Blick in das Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen
ersehen läßt, groß, zu Meinungsverschiedenheiten war aber wenig Anlaß.
Bei der Beschlußfassung des Bundesrats über den Gesetzentwurf wegen
des außerordentlichen Geldbedarfs für die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringens)
wurde auf Anregung des bayerischen Bevollmächtigten das Einverständnis
darüber konstatirt, daß in gleicher Weise, wie in den bisher dem Bundesrat
und Reichstag vorgelegten Etats, die Beträge, welche aus Reichsmittteln für
die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen verwendet werden, ersichtlich gemacht
1) Vgl. die „National-Zeitung“ Nr. 249 vom 31. Mai 1873.
2) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt. Vorlage, betreffend das Wahlreglement
für die Reichstagswahlen, „National-Zeitung“ Nr. 565 vom 4. Dezember 1873.
3) „National-Zeitung“ Nr. 165 vom 8. April 1873.