Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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man möge nicht vergessen, daß alle Parteien mit Ausnahme der einen, der dem 
Reich eben nicht freundlich gesinnten Zentrumspartei, sich für die Unhaltbarkeit 
der mecklenburgischen Verfassung ausgesprochen hätten; auf die Dauer würde 
daher das Reich durch unbedingten Schutz des formellen Rechts in eine schiefe 
Stellung kommen. Da sich auch die übrigen Ausschußmitglieder in diesem 
Sinne äußerten und die Vertreter Badens und Oldenburgs es für zweckmäßig 
hielten, die mecklenburgischen Regierungen durch eine Erklärung des Bundes- 
rats zu stützen, so schlug der Vorsitzende vor, eine solche Erklärung jetzt im 
Ausschuß festzustellen, die Beschlußfassung des Plenums darüber aber bis 
zum Herbst auszusetzen, da bis dahin die Sachlage sich ändern könne. In— 
dessen entschied man sich doch, zuvor noch die Ansicht des anwesenden 
mecklenburgischen Bevollmächtigten zu hören, und Herrn v. Bülow gelang 
es unter ausführlicher Darlegung der thatsächlichen Verhältnisse und Wider— 
legung der vielfachen Entstellungen seitens der liberalen Partei, seine Kollegen 
von der Notwendigkeit der einfachen Ablehnung zu überzeugen. Auch von einem 
Zusatz zum Protokoll, der das Wünschenswerte einer baldigen Regelung aus- 
drücke, sah die Majorität des Ausschusses ab. Delbrück zog seinen Vorschlag 
einer Vertagung zurück, und da Bülow eine rasche Entscheidung als im 
Interesse seiner Regierungen liegend bezeichnete, so fand die Verhandlung im 
Plenum schon am nächsten Tage statt. In derselben wurde im Sinne des 
Ausschußantrages entschieden. Bülows klare und sachliche Darlegung gab auch 
hier den Ausschlag. Oktroyiren könnten und wollten die Großherzoge nicht; 
indem Höchstdieselben daher auf Verhandlung mit den berechtigten Faktoren ver- 
wiesen seien, rechneten sie auf den Schutz des Reichs für die ungestörte Reform 
der als entwicklungsfähig und entwicklungsbedürftig anerkannten Verfassung; 
jetzt stehe zu hoffen, daß alle Gemäßigten und Verständigen sich den Bestre- 
bungen der regierenden Herren anschließen würden. Die Verhandlungen seien 
nur vertagt, nicht abgebrochen; die einfache Ablehnung werde die Durchführung 
der landesherrlichen Entschließungen nur erleichtern. Der sächsische Bevollmäch-- 
tigte Herr v. Nostitz unterstützte diese Erklärung mit dem Hinweis, daß die 
vom Reichstag vorgeschlagene Verfassungsänderung ganz unannehmbar sei, weil 
dann die Reichsgewalten mit demselben Recht und je nach der politischen 
Stimmung alle Verfassungen reformiren und damit anfangen könnten, alle 
Ersten Kammern zu beseitigen. Die einfache Ablehnung wurde beschlossen. Da- 
gegen stimmte nur Herr v. Türckheim, der Vertreter der badischen Regierung, 
deren nahe Beziehungen zur nationalliberalen Partei bekannt waren. Seine 
Erklärung lautete: Die Großherzoglich badische Regierung könne es nur für 
überaus wünschenswert halten, daß es gelingen möge, der auf die Dauer nicht 
von der Hand zu weisenden Agitation gegen die mecklenburgische Verfassung. 
durch eine baldige Vereinbarung zwischen Regierung und Ständen über eine 
zeitgemäße Verfassungsänderung auf landesgesetzlichem Wege den Boden zu ent-
	        
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