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Oberhessens würden sonst mit vollem Rechte Beschwerde darüber geführt haben,
daß der Vertreter der hessischen Regierung ein durch die Bundesverfassung aus-
drücklich gewährtes Recht bei dieser Gelegenheit nicht benützt habe, um, unter
Geltendmachung der Ansichten seiner Regierung, die Interessen der Gemeinden
möglichst zu wahren. Trotzdem würde ich Anstand genommen haben, zur Ver-
teidigung kommunaler Interessen das Wort zu ergreifen, wenn diesen Interessen
ein großer politischer oder nationaler Zweck gegenüber gestanden hätte, zu dessen
Gunsten die Gemeinden ihre bisherigen Rechte opfern sollten. So lag indessen
die Sache nicht. Ob in dem verhältnismäßig kleinen Teile des Bundesgebiets,
in welchem die preußischen Vorschriften über die Heranziehung des Militärs zu
den Kommunalauflagen zur Zeit des Erlasses der Dezember-Verordnung noch
nicht in Wirksamkeit waren, die Militärpersonen in dem vollen Umfange, wie
in Preußen, oder, nach den bisherigen Landesgesetzen, in einem beschränkteren
Maße von der Beitragspflicht zu den Gemeindelasten befreit werden, — das
ist keine Frage, bei welcher große politische Interessen des Norddeutschen Bundes
auf dem Spiele stehen. Wo es sich um die Erreichung hoher nationaler Ziele
handelt, da pflegen nicht die verschiedensten Ansichten und Anträge sich in der
Weise zu kreuzen, wie es diesmal bei den Verhandlungen sowohl im Reichs-
tag als in der Kommission der Fall war. — Wenn in einem von Preußen
im Juni 1867 abgeschlossenen und am 29. Juli 1867 ratifizirten Vertrage
den thüringischen Staaten gestattet wurde, die in den dortigen Regimentern
angestellten preußischen Offiziere zu Kommunalabgaben in größerem Umfang,
als dies nach den preußischen Vorschriften der Fall, heranzuziehen, so war die
Annahme doch nicht ganz unberechtigt, daß die Auffassung der hessischen Re-
gierung und das Interesse der oberhessischen Gemeinden, wie solche von mir
im Reichstag vertreten worden sind, selbst mit einem wirklichen und wesent-
lichen militärischen Interesse nicht im Widerspruch stehen. Die vorstehenden
Erwägungen — und diese allein — haben mich bestimmt, in der Sitzung vom
28. d. M. so, wie geschehen, aufzutreten.“ 1)
1) Die „National-Zeitung“ Nr. 250 vom 2. Juni 1869 bemerkte zu dieser Erklärung
des Geh. Leg.-Rats Hofmann: „Auch wir sind der Meinung, daß dem Vorfalle vom
28. v. M. eine viel zu große Bedeutung beigelegt worden ist. Nichtsdestoweniger deutet
derselbe auf einen schweren Mangel in der Bundesverfassung hin, deren Artikel 9, wonach
jeddes Mitglied des Bundesrats das Recht bat, die Ansichten seiner Regierung auch dann
vor dem Reichstag zu vertreten, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrats nicht
adoptirt worden sind, in der That mit einer wirklichen Bundesregierung nicht verträglich
ist. Eine solche muß wie nach außen, so auch dem ihr zur Seite stehenden Parlamente
gegenüber einheitlich nicht nur auftreten, sondern auch geführt werden. Die Beurteilung
des Vorfalls vom 28. v. M., namentlich in der auswärtigen Presse, lehrt dies zur Genüge.
Der jetzige Mangel der Bundesverfassung und einer einheitlichen Bundesregierung legt —
so lange er besteht — allen Regierungen des Bundes und also ganz besonders auch dem
Bundespräsidium die Pflicht des ausgesuchtesten Taktes und der sorgfältigsten Berücksichtigung