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an sein Ende in naher Freundschaft verbunden blieb. An diese schrieb er viel-
fach über seine Eindrücke und Erlebnisse aus Berlin. Einige Briefe mögen hier
Platz finden.
Berlin, 19. Januar 1867.
„Heute mittag hatte ich eine längere Unterredung mit Bismarck infolge
förmlicher Anmeldung bei ihm. Er ist wieder sehr frisch und wohl und empfing
mich sehr freundlich. Weil es eine ganz außerordentliche, viel beneidete Gunst
ist, von Bismarck empfangen zu werden, mußte ich jede Sekunde im Geschäfts-
interesse ausbeuten, und fallen natürlich alle anderen Gespräche weg.“
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Berlin, 22. Februar 1867.
„Ich weiß und verstehe, daß wir in einer Zeit großer und entwicklungs-
fähiger Umgestaltung unseres deutschen Vaterlandes leben, und ich bin zu wenig
Egoist und — ich glaube sagen zu dürfen — zu sehr deutscher Patriot,
als daß ich nicht mit voller Hingebung in die für unser Lübeck unvermeidlichen
Einbußen und Opfer bereitwillig mich zu finden wüßte. Jene Opfer treten
ja auch an mich höchst persönlich heran. Im Grunde habe ich es als ein
Glück oder eine Gnade Gottes anzuerkennen, daß ich die Zeit zu verstehen, zu
begreifen weiß und dadurch viel leichter über alles, was sie von unserem Lübeck
und von mir selbst fordert, hinwegzukommen im stande bin!“
*
Berlin, 26. Februar 1867.
„Es hat mich förmlich beglückt, daß Du die Thronrede ganz köstlich ge-
funden und sie mehrmals durchstudirt hast, sie ist in der That meisterhaft ab-
gefaßt. Ich weiß, daß sie nicht bloß das Produkt des geistreichen Bismarck ist,
sondern daß König und Kronprinz auch an der Fassung einen wesentlichen
Anteil haben, und daß beide von der deutschen Aufgabe Preußens tief durch-
drungen sind. Man muß eine herzinnige Freude an dem Fortschritte haben,
in dem unser teures Vaterland — Gott sei Dank! — begriffen ist und dem
gegenüber kleinstaatliche und Kirchturmsinteressen, welche doch nur egoistischen,
unlauteren Ursprungs sind, immer mehr verschwinden müssen. Ueber die sehr
erhebende und erbauliche Feier am Sonntag, wie über die große Mahlzeit
(436 Couverts) und Vorstellung bei Hofe schrieb ich offiziell ausführlicher.
Alles gelang aufs beste, und die Hohenzollern haben sich viele Herzen aufs
neue erworben. Von Etiquette, kalter Förmlichkeit und steifem Ton keine Spur.
Alles herzlich, freundlich und höchst gemütlich.“
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Berlin, 14. April 1867.
„Bismarck ist von ungemeiner Liebenswürdigkeit und stets in bester
Stimmung. Die Konferenzsitzungen sind unter seinem Präsidio ein wahrer
Genuß.“