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den Verhandlungen mit der französischen Regierung wegen des mißbräuch-
lichen Systems der titres d'acquit à caution als Verhandlungemittel be-
nutzen wollte.
In Betreff des Einpfennigtarifs hatte das Zollparlament folgenden
Antrag angenommen: „Den Bundesrat des Zollvereins zu ersuchen, dahin zu
wirken, daß der in Norddeutschland für Kohlen eingeführte Einpfennigtarif pro
Zentner und Meile auf den Transport aller Rohmaterialien und Erdprodukte
der Eisenindustrie, sowie der Schienen und des Stabeisens im Zollvereins=
gebiete ausgedehnt und mit möglichster Beseitigung der Nebenkosten (Expeditions-
gebühren) auf alle Entfernungen angewendet werde."“
Der Ausschuß des Zollbundesrats fand keinen Anlaß, die im Zoll=
parlament debattirte Kompetenz des letzteren zur Fassung jenes Beschlusses zu
untersuchen. Er glaubte allein die Frage erörtern zu sollen, welche Stellung
der Bundesrat zu dem in dem Beschlusse enthaltenen Antrage einzunehmen
habe. Diese Erörterung konnte keinen Zweifel darüber lassen, daß die Regelung
der Eisenbahntarife nicht zu den Gegenständen gehöre, über welche der Bundes-
rat nach den seinen Wirkungskreis bestimmenden Verabredungen im Vertrage
vom 8. Juli 1867 Beschluß zu fassen habe. Für den Ausschuß blieb daher
nur die Frage übrig, ob der Gegenstand des Antrages von der Art sei, daß
aus anderweiten Gründen empfohlen werden könne, darüber zwischen den be-
teiligten Regierungen im Schoße des Bundesrats zu verhandeln. Der Aus
schuß glaubte indessen auch diese Frage verneinen zu müssen. Er verkannte
zwar nicht den Einfluß, welchen die Eisenbahnfrachttarife auf die Konkurrenz
sowohl vereinsländischer Erzeugnisse mit ausländischen, als auch der Erzeug-
nisse der einzelnen Vereinsstaaten unter einander auf den vereinsländischen
Markt ausüben können. Da jedoch im Laufe der bisherigen Beratungen des
Bundesrats dieser Einfluß weder als ein Grund für oder gegen Abände-
rungen des Zollvereinstarifs geltend gemacht, noch in anderer Beziehung zum
Gegenstande der Erörterung geworden war, und da im übrigen die Regelung
der Eisenbahntarife außer Zusammenhang mit dem Geschäftskreise des Bundes-
rats stand, so beschränkte sich der Ausschuß auf den Antrag: der Bundesrat
des Zollvereins wolle seinen Vorsitzenden ersuchen, den Beschluß des Zollparla-
ments zur Kenntnis der Kontrahenten des Vertrages vom 8. Juli d. J. zu
bringen.
Der Bundesrat trat diesem Ausschußvotum, wovon in den Bundesrats-
drucksachen keine Erwähnung geschieht, 1) bei.
1) Es ist in dem Protokoll (§ 180) nur erwähnt, auf den Bericht des Ausschusses
für die Geschäftsordnung, erstattet von dem Präsidenten Delbrück, habe der Bundesrat
den oben mitgeteilten Beschluß gefaßt.
Poschinger Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 5