Die dem Bundesrat zugegangene Vorlage, betreffend die Abänderung
des Vereinszolltarifs vom 1. Juli 1865, enthielt keine durchgreifende
Tarifreform, sondern wesentlich nur die schon im vorigen Jahr beantragten
und dann nach dem Fall der Tabaksteuer und Petroleumsteuer wieder zurück—
gezogenen kleinen Tarifänderungen. Es wurden durch dieselbe 44 Artikel ganz
vom Zoll befreit, bei 23 Artikeln traten Ermäßigungen und in manchen
anderen Beziehungen Vereinfachungen ein; daneben fand sich in derselben
freilich auch wieder der neue Zoll auf Petroleum. Von der im Jahre 1868
gemachten Vorlage wich die diesmalige in folgenden Punkten ab. Unter den
„Zollbefreiungen“ war nicht mit aufgeführt „Alaun“. Unter den „Zoll—
ermäßigungen“ waren diesmal neu aufgeführt die Nummern 5 bis 14, be—
treffend Zölle von Eisen und Eisenwaren. Außerdem war neu aufgeführt:
(Nr. 23) Reis, geschälter und ungeschälter 15 Sgr. (früher 1 Thaler resp.
20 Sgr.) «
Die vorgeschlagene Ermäßigung der Reiszölle fand im Ausschusse nicht
die Majorität. Es wurde geltend gemacht, daß Reis kein besonders erheblicher
Konsumartikel sei und im Norden eben nicht als ein Nahrungsstoff von er-
heblicher Bedeutung angesehen werde, während er dem Südländer unentbehrlich
sei. Erst nach erfolgter Abstimmung traten für die Zollermäßigung einige
Momente hervor; so wurde namentlich darauf hingewiesen, daß kein richtiges
Verhältnis zwischen dem Zolle für rohen und geschälten Reis bestehe, daß ferner
der Zoll in anderen Staaten niedriger sei und auch die Industrie insofern be-
einträchtigt werde, als infolge der Reiszölle im Gebiete des Zollvereins keine
Reis-Schälmühlen bestehen. Die Besteuerung von Petroleum fand dagegen die
Zustimmung des Ausschusses und ebenso alle übrigen Positionen. Hinsichtlich
der Eisenzölle wollte Mecklenburg noch weitere Erleichterungen beantragen, während
Württemberg die bisherige Norm gegen den neuen Tarif festgehalten wissen
wollte. Der Ausschuß trat indessen der Vorlage bei. 1)
Im Plenum des Bundesrats wurde die Ermäßigung der Reiszölle gegen
die Stimmen von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen an-
genommen; der Antrag, aus dem Gesetzentwurf die auf die Ermäßigung der
Eisenzölle bezüglichen Ziffern II. 5 bis 14 wegzulassen, wurde mit allen gegen
die Stimme Württembergs abgelehnt; der Antrag, aus dem Gesetzentwurf die
auf die Zollbefreiung von schwefelsaurem Natron und die Zollermäßigung für
ganz grobe Gußwaren bezüglichen Bestimmungen wegzulassen, wurde mit allen
gegen die Stimme Württembergs und Hessens abgelehnt; der Antrag Mecklen-
burgs, mit Rücksicht auf die Landwirtschaft und Gewerbe, die Eisenzölle noch
über die Vorlage hinaus bedeutend zu ermäßigen, wurde gegen die Stimmen
1) „National-Zeitung“ Nr. 253 vom 4. Juni 1869 und Nr. 255 vom 5. Juni 1869
und „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 129 vom 6. Mai 1869.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 6