Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

96 Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg. 
und dessen Freunde am Hofe) u. s. w. ein Gegengewicht zu haben, 
was nun, Gott sei Dank, durch Goltzens Trotz vereitelt ist. — Ich 
denke mir, daß ein Plan im Werke ist — ob in allen zum Mit- 
handeln bestimmten Personen bewußt oder unbewußt, halb oder ganz, 
lasse ich dahingestellt sein — ein Ministerium unter den Auspicien 
des Prinzen von Preußen zu formiren, in dem — nach Entfernung 
von Raumer, Westphalen, Bodelschwingh — Manteuffel als Präses, 
Ladenberg als Cultus, Goltz als Auswärtiger functioniren soll 
und welches sich die Kammermajorität verschafft, was ich nicht für 
sehr schwierig halte. Damit sitzt der arme König zwischen der 
Kammermajorität und seinem Nachfolger und kann sich nicht rühren. 
Alles was Westphalen und Raumer zu Stande gebracht, und sie 
sind die einzigen Menschen, die etwas gethan, würde wieder ver- 
loren gehn, von den übrigen Folgen zu schweigen. Manteuffel 
als doppelter Novembermann wäre wie schon jetzt inévitable." 
Der Gegensatz der verschiedenen Elemente, welche die Ent- 
schließungen des Königs zu bestimmen suchten, steigerte sich, der 
Angriff der Bethmann-Hollweg'schen Fraction auf Manteuffel be- 
lebte sich während des Krimkrieges. Der Ministerpräsident hat 
seine Abneigung gegen den Bruch mit Oestreich und gegen eine 
Politik, wie sie nach den böhmischen Schlachtfeldern führte, am 
nachdrücklichsten in allen für unfre Freundschaft mit Oestreich kri- 
tischen Momenten bethätigt. In der Zeit des Fürsten Schwarzen= 
berg, demnächst des Krimkrieges und der Ausbeutung Preußens 
für die östreichische Orientpolitik erinnerte unser Verhältniß zu 
Oestreich an das zwischen Leporello und Don Juan. In Frank- 
furt, wo zur Zeit des Krimkriegs die übrigen Bundesstaaten 
außer Oestreich versuchsweise verlangten, daß Preußen sie der öst- 
reichisch-westmächtlichen Vergewaltigung gegenüber vertrete, konnte 
ich als Träger der preußischen Politik mich einer Beschämung und 
Erbitterung nicht erwehren, wenn ich sah, wie wir gegenüber den 
nicht einmal in höflichen Formen vorgebrachten Zumuthungen Oest- 
reichs jede eigne Politik und jede selbständige Ansicht opferten, von
	        
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