108 Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
vor Gott und seinem Gewissen gewiß ist, so ist er gegen Viele,
nicht etwa blos gegen mich, offener als gegen Manteuffel. Bei
jenen Heimlichkeiten aber entsteht ein Gebräu von Schwäche und
Finasserie auf der einen und von animosem Servilismus auf der
andern Seite, was in der Regel etwas sehr Unglückliches zur Welt
bringt ½.
Berlin, den 23. Januar 1855.
.. Was mich ganz niederschlägt, ist der allgemein verbreitete
Bonapartismus und die Indifferenz und der Leichtsinn, womit
man diese größte aller Gefahren auf sich zukommen sieht. Ist es
denn so schwer zu erkennen, wohin dieser Mensch will? . Und
wie stehen hier die Sachen? The king can do no wrong. Von
dem schweige ich; Manteuffel ist völlig Bonapartist. Bunsen mit-
sammt Usedom sind keine Preußen. Hatzfeld in Paris hat eine
bonapartistische Frau und ist so eingeseift, daß sein hiesiger Schwager
den alten Bonaparte im Vergleich mit dem jetzigen für einen
Esel hält. Was soll daraus werden, und wie darf man dem
Könige Vorwürfe machen, wenn er so bedient ist. Von den irregu-
lären Rathgebern zu schweigen. L. v. G.“)
Bei Manteuffel hatte eine active und unternehmende anti-
östreichische Politik noch weniger Aussicht auf Anklang als bei
dem Könige. Mein damaliger Chef machte mir in der Discussion
der Frage unter vier Augen wohl den Eindruck, als theile er
meine borussische Entrüstung über die geringschätzige und verletzende
Art der Behandlung, die wir von der Politik Buol-Prokesch er-
fuhren. War aber die Situation bis zum Handeln gediehn, kam
es darauf an, einen wirksamen diplomatischen Schritt in anti-
östreichischer Richtung zu thun oder auch nur die Fühlung mit
1) Vgl. Briefwechsel 216 ff. .
2) a. a. O. 222 ff. — Die weiteren Briefe Gerlach's aus den Jahren
1855—1860 sind veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch II 191 ff., IV 158 ff.
VI 83 ff.