Ein gefälschtes Memoire. Denkschrift Bunsens. 113
mar, in welchem „der Sturz Bunsens“ aus einer russischen Intrigue
erklärt und das Verhalten des Königs sehr abfällig beurtheilt wird,
gab Veranlassung, den vollständigen Text der Denkschrift und, immer
noch mit Schonung, den wahren Hergang der Sache nach den
Akten zu veröffentlichen („Deutsche Revue“ 1882, S. 152 ff.).
In die Pläne der Ausschlachtung Rußlands hatte man den
Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn für
eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor 1848
seine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik des Königs
nur in den Schranken brüderlicher Rücksicht und Unterordnung
geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen Opposition gegen
die Regirungspolitik zu bewegen, trat in einer Unterredung her-
vor, die ich mit ihm in einer der Krisen hatte, in welchen mich
der König zum Beistande gegen Manteuffel nach Berlin berufen
hatte. Ich wurde gleich nach meiner Ankunft zu dem Prinzen be-
fohlen, der mir in einer durch seine Umgebung erzeugten Gemüths-
erregung den Wunsch aussprach, ich solle dem Könige im west-
mächtlichen und antirussischen Sinne zureden. Er sagte: „Sie
sehn sich hier zwei streitenden Systemen gegenüber, von denen das
eine durch Manteuffel, das andre, russenfreundliche, durch Gerlach
und den Grafen Münster in Petersburg vertreten ist. Sie kommen
frisch hierher, sind von dem Könige gewissermaßen als Schiedsmann
berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausschlag geben, und ich
beschwöre Sie, sprechen Sie sich so aus, wie es nicht nur die
europäische Situation, sondern auch ein richtiges Freundesinteresse
für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz Europa gegen sich auf
und wird schließlich unterliegen. Alle diese prächtigen Truppen," —
es war dies nach den für die Russen nachtheiligen Schlachten vor
Sebastopol — „alle unsre Freunde, die dort geblieben sind,“ —
er nannte mehre — „würden noch leben, wenn wir richtig ein-
gegriffen und Rußland zum Frieden gezwungen hätten.“ Es würde
damit enden, daß Rußland, unser alter Freund und Bundesgenosse,
vernichtet oder in gefährlicher Weise geschädigt würde. Unfre, von
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8