114 Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
der Vorsehung gegebene Aufgabe sei es, den Frieden dictatorisch
herbeizuführen und unsern Freund auch gegen seinen Willen zu
retten.
In dieser Form etwa hatten Goltz, Albert Pourtalès und
Usedom in ihrer auf den Sturz Manteuffel's berechneten Politik die
Preußen gegen Rußland zugedachte Rolle dem Prinzen annehmbar
gemacht, wobei die Abneigung der Prinzessin, seiner Gemalin, gegen
Rußland ihnen behülflich gewesen sein wird.
Um ihn aus diesem Gedankenkreise loszumachen, stellte ich ihm
vor, daß wir absolut keinen eignen Kriegsgrund gegen Rußland
hätten und kein Interesse an der orientalischen Frage, das einen
Krieg mit Rußland oder auch nur das Opfer unsrer langjährigen
guten Beziehungen zu Rußland rechtfertigen könnte; im Gegentheil,
jeder siegreiche Krieg gegen Rußland unter unfsrer nachbarlichen
Betheiligung belade uns nicht nur mit dem dauernden Revanche-
gefühl Rußlands, das wir ohne eignen Kriegsgrund angefallen,
sondern zugleich mit einer sehr bedenklichen Aufgabe, nämlich die
polnische Frage in einer für Preußen erträglichen Form zu lösen.
Wenn eigne Interessen keinenfalls für, eher gegen einen Bruch
mit Rußland sprächen, so würden wir den bisherigen Freund und
immerwährenden Nachbar, ohne daß wir provocirt wären, ent-
weder aus Furcht vor Frankreich oder im Liebesdienste Englands
und Oestreichs angreifen. Wir würden die Rolle eines indischen
Vasallenfürsten übernehmen, der im englischen Patronat englische
Kriege zu führen hat, oder die des York'schen Corps beim Aus-
marsch zum Kriege 1812, wo die damals berechtigte Furcht vor
Frankreich uns zu dessen gehorsamen Bundesgenossen zwangsweis
gemacht hatte.
Den Prinzen verletzte mein Ausdruck, mit zorniger Röthe unter-
brach er mich mit den Worten: „Von Vasallen und Furcht ist
hier garkeine Rede.“ Er brach aber die Unterredung nicht ab.
Wer einmal sein Vertrauen hatte und in seiner Gnade stand,
konnte ihm gegenüber sehr frei von der Leber sprechen, sogar heftig