Brief an L. v. Gerlach. 119
einschränken. Ueber die conditions particulières, welche von den
kriegführenden Mächten werden aufgestellt werden, bleibt uns
und dem Bunde das freie Urtheil vorbehalten, in Betreff der von
Oestreich aufzustellenden aber nicht, und was die Interpretation der
4 Punkte anbelangt, so ist die Annahme, daß darüber Preußen
und Deutschland sich im Voraus der Auffassung ihrer sie ver—
tretenden Schutzmacht Oestreich anschließen, dadurch gerechtfertigt,
daß unser früher deßhalb begehrter Vorbehalt von Baiern und
Oestreich abgelehnt ist, und wir uns dabei beruhigt haben.
Diese ganze Berechnung zerreißen wir, wenn wir hier jetzt
ablehnen, uns auszusprechen, bis unsrer Ansicht nach die Zeit dazu
gekommen sein wird. So lange wir diese Haltung annehmen,
bedarf man unser noch und wird um uns werben. Man wird
hier auch schwerlich den Versuch machen, uns zu majorisiren; selbst
Sachsen und Baiern stehn nur in der „Voraussetzung“ unfres Ein-
verständnisses zu dem dermaligen östreichischen Entwurfe; sie haben
sich daran gewöhnt, daß wir schließlich nachlassen, und deßhalb er-
lauben sie sich solche Voraussetzungen. Wenn wir aber den Muth
unfrer Meinung haben, wird man es auch der Mühe werth finden,
bei Entscheidungen über deutsche Politik die Erklärung Preußens
abzuwarten. Wenn wir fest auf Aufschub des Beschlusses ver-
harren und das den deutschen Höfen erklären, so steht uns noch
heut eine gute Majorität zur Seite, selbst wenn, was nicht der
Fall sein wird, Sachsen und Baiern sich schon mit Kopf und
Kragen an Buol verkauft hätten.
Wollen wir es darauf nicht ankommen lassen, so müssen wir
uns auch darauf gefaßt machen, daß Sardinien und die Türkei
in Paris selbständig über die Wahrung der deutschen Interessen
in den beiden vom Bunde angeeigneten Punkten berathen, während
wir durch Oestreich dabei vertreten werden. Und wir werden nicht
einmal die ersten in dem Schweife Oestreichs sein, denn Graf Buol
wird sich bei Erfüllung seines präsumtiven Mandats für Deutsch-
land noch eher bei Pfordten und Beust Nath holen, als bei Man-