Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

126 Sechstes Kapitel: Sanssouci und Coblenz. 
von Bülow, die Kaiserin habe von dem Minister Falk eine Reise- 
unterstützung für einen ultramontanen Maler verlangen lassen, der 
nicht nur selbst nicht darum bitten wolle, sondern mit Gemälden 
zur Verherrlichung von Marpingen beschäftigt sei. Unter dem 
25. Januar 1878 berichtete er mir: „Vor seiner Abreise (nach 
Italien) hat der Kronprinz eine sehr heftige Scene mit der Kaiserin 
gehabt, welche verlangte, daß er, der künftige Herrscher über acht 
Millionen Katholiken, den alten ehrwürdigen Papst besuchen solle. 
Als der Kronprinz nach der Rückkehr sich beim Kaiser meldete, war 
auch die Kaiserin (aus ihren Zimmern) hinuntergekommen. Als 
das Gespräch eine Wendung nahm, die ihr nicht gefiel, betreffend 
die Stellung des Königs Humbert, und dann stockte, ist sie mit 
den Worten aufgestanden: „II parait due je suis de trop ici', 
und der Kaiser hatte dann ganz wehmüthig zum Kronprinzen ge- 
sagt: „Ueber diese Dinge ist Deine Mutter in dieser Zeit wieder 
unzurechnungsfähig.“ 
Zu den Nebenwirkungen, durch welche diese höfischen Kämpfe 
complicirt wurden, gehörte auch das Mißverhältniß, in das die 
Prinzessin mit dem Oberpräsidenten von Kleist-Retzow gerieth, der 
das Erdgeschoß des Schlosses unter der prinzlichen Wohnung inne 
hatte und an sich, als äußre Erscheinung, als Redner der äußersten 
Rechten und durch seine ländliche Gewohnheit, häusliche Andachten 
mit Gesang täglich mit seinen Hausgenossen abzuhalten, der Prin- 
zessin lästig fiel. Mehr an amtliche als an höfische Beziehungen 
gewöhnt, betrachtete der Oberpräsident seine Existenz im Schlosse 
und im Schloßgarten als eine Vertretung der königlichen Prärogative 
im Gegenhalt zu angeblichen Uebergriffen des prinzlichen Haushalts 
und glaubte ehrlich, dem Könige, seinem Herrn, etwas zu ver- 
geben, wenn er der Gemalin des Thronerben gegenüber in Betreff 
der wirthschaftlichen Nutzung häuslicher Locale die oberpräsidialen 
Ansprüche gegen die des prinzlichen Hofes nicht energisch vertrat. 
Der Chef des Generalstabs von Sanssouci war, nachdem der 
General von Rauch gestorben, Leopold von Gerlach, und seine Bei-
	        
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