Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Manteuffels Stellung zum Könige. Marquis Moustier. 129 
land betrachtete. Manteuffel vermied es, durch schärferes Vertreten 
seiner Auffassung den König noch mehr zu verstimmen oder durch 
Eintreten für meine angeblich russische Auffassung die Westmächte 
und Oestreich zu reizen, er effacirte sich lieber. Marquis Moustier 
kannte diese Stellung, und mein Chef überließ ihm gelegentlich die 
Aufgabe, mich zur westmächtlichen Politik und zur Vertretung der— 
selben beim Könige zu bekehren. Bei einem Besuche, den ich Moustier 
machte, riß ihn die Lebhaftigkeit seines Temperaments zu der be- 
drohlichen Aeußerung hin: „La politigue que vous faites, va vous 
conduire à JEna.“ Worauf ich antwortete: „Pourquoi pas à Leipzig 
ou à Rossbach?“ Moustier war eine so unabhängige Sprache in 
Berlin nicht gewohnt und wurde stumm und bleich vor Zorn. Nach 
einigem Schweigen setzte ich hinzu: „Enfin toute nation a perdu 
et gagné des batailles. Je ne suis pas venu pour faire avec 
vous un cours d'histoire.“" Die Unterhaltung kam nicht wieder in 
Fluß. Moustier beschwerte sich über mich bei Manteuffel, der die 
Beschwerde an den König brachte. Dieser aber lobte mich Man- 
teuffel gegenüber, später auch direct, wegen der richtigen Antwort, 
die ich dem Franzosen gegeben hatte. 
Die leistungsfähigen Kräfte der Bethmann-Hollwegschen Partei, 
Goltz, Pourtalds, zuweilen Usedom, wurden durch den Prinzen von 
Preußen auch bei dem Könige zu einer gewissen Geltung gebracht. 
Es kam vor, daß nothwendige Depeschen nicht von Manteuffel, 
sondern von dem Grafen Albert Pourtalès entworfen wurden, daß 
der König mir dessen Entwürfe zur Revision gab, daß ich über 
die Amendirung wieder mit Manteuffel Fühlung nahm, daß der 
den Unterstaatssekretär Le Coq zuzog, daß dieser die Fassung aber 
lediglich von dem Standpunkte französischer Stilistik prüfte und 
eine Tage lange Verzögerung mit der Anführung rechtfertigte, er 
habe den genau angemessenen französischen Ausdruck noch nicht ge- 
funden, der zwischen dunkel, unklar, zweifelhaft und bedenklich die 
richtige Mitte hielte, — als ob es auf solche Lappalien damals 
angekommen wäre. 
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinncrungen. 1. 9
	        
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