Als Redactor diplomatischer Depeschen. 147
die Collationirung im Schlosse ergab, daß, wie ich befürchtet
hatte, das Concept geändert und der östreichischen Politik näher
gerückt war. Während des Krimkrieges und der vorangegangnen
Verhandlungen drehten sich die Kämpfe in den Regirungskreisen
häufig um eine westmächtlich-östreichische oder eine russische Phrase,
die, kaum geschrieben, keine praktische Bedeutung mehr hatte.
Um eine ernstere, in den Verlauf der Dinge eingreifende
Frage der Redaction handelte es sich im August 1854. Der König
befand sich in Rügen; ich war auf dem Wege von Frankfurt nach
Reinfeld, wo meine Frau krank lag, als am 29. August in Stettin
ein höherer Postbeamter, der angewiesen war, auf mich zu fahnden,
mir eine Einladung des Königs nach Putbus ausrichtete. Ich hätte
mich gern gedrückt, der Postbeamte aber begriff nicht, wie ein
Mann von altem preußischen Schlage sich einer solchen Aufforderung
entziehn wolle. Ich ging nach Rügen, nicht ohne Sorge vor neuen
Zumuthungen, Minister zu werden und dadurch in unhaltbare Be-
ziehungen zum Könige zu gerathen. Der König empfing mich am
30. August gnädig und setzte mich von einer vorliegenden Meinungs-
verschiedenheit über die durch den Rückzug der Russen aus den
Donaufürstenthümern entstandene Situation in Kenntniß. Es han-
delte sich um die Depesche des Grafen Buol vom 10. August und
einen von Manteuffel vorgelegten Entwurf einer Antwort, den der
König zu östreichisch fand. Auf Befehl machte ich einen andern
Entwurf, der von Sr. Majestät genehmigt und nach Berlin geschickt
wurde, um im Widerspruch mit dem leitenden Minister zunächst
an den Grafen Arnim in Wien gesandt und dann den deutschen
Regirungen mitgetheilt zu werden 1). Die durch Annahme meines
Entwurfs bekundete Stimmung des Königs zeigte sich auch in dem
Empfang des Grafen Benckendorf, der mit Briefen und mündlichen
Aufträgen in Putbus eintraf, und den ich mit der Nachricht hatte
empfangen können, daß die Engländer und Franzosen in der Krim
1) Vgl. Sybel II 204 ff.