Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. 157
essirt mich nur insoweit, als es auf die Lage meines Vaterlandes
reagirt, und wir können Politik nur mit dem Frankreich treiben,
welches vorhanden ist, dieses aber aus den Combinationen
nicht ausschließen. Ein legitimer Monarch wie Ludwig XIV.
ist ein ebenso feindseliges Element wie Napoleon I., und wenn
dessen jetziger Nachfolger heut auf den Gedanken käme zu abdiciren,
um sich in die Muße des Privatlebens zurückzuziehn, so würde er
uns garkeinen Gefallen damit thun, und Heinrich V. würde nicht
sein Nachfolger sein; auch wenn man ihn auf den vacanten und
unverwehrten Thron hinaufsetzte, würde er sich nicht darauf be-
haupten. Ich kann als Romantiker eine Thräne für sein Geschick
haben, als Diplomat würde ich sein Diener sein, wenn ich Franzose
wäre, so aber zählt mir Frankreich, ohne Rücksicht auf die jeweilige
Person an seiner Spitze, nur als ein Stein und zwar ein unver-
meidlicher in dem Schachspiel der Politik, ein Spiel, in welchem
ich nur meinem Könige und meinem Lande zu dienen Beruf habe.
Sympathien und Antipathien in Betreff auswärtiger Mächte und
Personen vermag ich vor meinem Pflichtgefühl im auswärtigen
Dienste meines' Landes nicht zu rechtfertigen, weder an mir noch
an Andern; es ist darin der Embryo der Untreue gegen den Herrn
oder das Land, dem man dient. Insbesondre aber, wenn man
seine stehenden diplomatischen Beziehungen und die Unterhaltung
des Einvernehmens im Frieden danach zuschneiden will, so hört
man m. E. auf, Politik zu treiben und handelt nach persönlicher
Willkür. Die Interessen des Vaterlandes dem eignen Gefühl von
Liebe oder Haß gegen Fremde unterzuordnen, dazu hat meiner
Ansicht nach selbst der König nicht das Recht, hat es aber vor Gott
und nicht vor mir zu verantworten, wenn er es thut, und darum
schweige ich über diesen Punkt.
Oder finden Sie das Prinzip, welches ich geopfert habe, in
der Formel, daß ein Preuße stets ein Gegner Frankreichs
sein müsse? Aus dem Obigen geht schon hervor, daß ich den Maß-
stab für mein Verhalten gegen fremde Regirungen nicht aus stag-