Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. 189 
in einer rechtmäßigen Republik und rechtfertigt sich durch den Noth- 
stand; für einen Bonaparte ist aber, er mag wollen oder nicht, 
die Revolution, d. h. die Volkssouveränität, innerlicher, und bei 
jedem Conflict oder Bedürfniß auch äußerlicher Rechtstitel. Aus 
diesem Grunde kann mich Ihr Vergleich Bonapartes mit den Bour- 
bons, mit dem absolutistischen Oestreich ebensowenig als Na- 
poleons III. Individualität, die mir in vieler Hinsicht auch im- 
ponirt, beruhigen. Wenn er nicht erobert, so muß es sein Nachfolger 
thun, obschon der prince impérial nicht viel mehr Aussicht auf 
den Thron hat als viele andre, und gewiß weniger als Heinrich V. 
In diesem Sinne ist Napoleon III. ebenso unser natürlicher Feind, 
als es Napoleon I. war, und ich verlange nur, daß Sie das im 
Auge behalten, nicht aber, daß wir mit ihm schmollen, ihn taqui- 
niren, reizen, sein Werben um uns abweisen sollen, aber wir sind 
unsrer Ehre und dem Recht eine reservirte Stellung ihm gegen- 
über schuldig. Er muß wissen, daß wir nicht an seinem Sturz 
arbeiten, daß wir ihm nicht feindlich sind, es ehrlich mit ihm 
meinen, aber auch, daß wir seinen Ursprung für gefährlich halten 
(er thut es ja auch), und daß, wenn er denselben geltend machen 
will, wir uns ihm widersetzen werden. Das muß, ohne daß wir 
es zu sagen brauchen, er uns zutrauen und das übrige Europa 
auch, sonst legt er uns einen Kappzaum an und schleppt uns hin, 
wohin er will. Das ist eben das Wesen einer guten Politik, daß 
man ohne Streit anzufangen, denen, mit denen man wirklich einig 
ist, Vertrauen einflößt. Dazu gehört aber, daß man offen mit den 
Leuten spricht, und nicht wie F. D. sie durch Schweigen und 
Tückschen erbittert. Preußen hat die schwere Sünde auf sich, von 
den drei Mächten der heil. Allianz Louis Philippe zuerst anerkannt 
und die andern bewogen zu haben, dasselbe zu thun. L. Philippe 
regierte vielleicht noch, wenn man aufrichtig mit ihm gewesen wäre, 
ihm öfter die Zähne gewiesen und ihn dadurch an seine Usur- 
pation denken gemacht hätte. 
Man spricht von der isolirten preußischen Stellung; wie kann
	        
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