Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

194 Neuntes Kapitel: Reisen. Regentschaft. 
Napoleon gehalten hätte. Es sei wünschenswerth, unser Gebiet durch 
die Erwerbung Hanovers und der Elbherzogthümer zu consoli- 
diren, um damit die Unterlage einer stärkern preußischen See- 
macht zu gewinnen. Es fehle an Seemächten zweiten Ranges, die 
durch Vereinigung ihrer Streitkräfte mit der französischen das jetzt 
erdrückende Uebergewicht Englands aufhöben. Eine Gefahr für sie 
selbst und für das übrige Europa könne darin nicht liegen, weil 
sie sich ja zu einseitig egoistisch-französischen Unternehmungen nicht 
einigen würden, nur für die Freiheit der Meere von der eng- 
lischen Uebermacht. Zunächst wünsche er sich der Neutralität 
Preußens zu versichern für den Fall, daß er wegen Italien mit 
Oestreich in Krieg geriethe. Ich möge den König über dieses Alles 
sondiren. 
Ich antwortete, ich sei doppelt erfreut, daß der Kaiser diese 
Andeutungen grade mir gemacht habe, erstens, weil ich darin einen 
Beweis seines Vertrauens sehn dürfe, und zweitens, weil ich viel- 
leicht der einzige preußische Diplomat sei, der es über sich nehmen 
würde, diese ganze Eröffnung zu Hause und auch seinem Souverän 
gegenüber zu verschweigen 1). Ich bäte ihn dringend, sich dieser 
Gedanken zu entschlagen; es läge außer aller Möglichkeit für den 
König Friedrich Wilhelm IV., auf dergleichen einzugehn; eine ab- 
lehnende Antwort sei unzweifelhaft, wenn ihm die Eröffnung ge- 
macht würde. Dabei bleibe im letztern Falle die große Gefahr 
einer Indiscretion im mündlichen Verkehr der Fürsten, einer An- 
deutung darüber, welchen Versuchungen der König widerstanden 
habe. Wenn eine andre deutsche Regirung in die Lage versetzt 
würde, über dergleichen Indiscretionen nach Paris zu berichten, so 
werde das für Preußen so werthvolle gute Benehmen mit Frank- 
1) Thatsächlich finden sich in den Berichten an Manteuffel vom 11. und 
24. April, sowie vom 1. Mai 1857 (Preußen im Bundestage IV 257 f., III 
91 ff. 94 ff.) keinerlei Mittheilungen über diese Unterredung, ebensowenig in 
dem Briefe an Gerlach vom 11. April 1857, Briefe Bismarck's 2c. S. 311 ff.; 
daß er dem letztern davon erzählt hat, geht aus Gerlach's Denkwürdigkeiten 
II 521 hervor.
	        
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